Was geht hinter den dicken Gemäuern des Stiftes Heiligenkreuz vor? In den letzten Tagen überschlugen sich die Ereignisse, der Kirchen-Krimi sorgt auch für internationale Schlagzeilen.
Für das Zisterzienserstift Heiligenkreuz wurde nämlich, durchaus unüblich, von oberster kirchlicher Stelle, eine Apostolische Visitation angekündigt – dazu später mehr.
Gleichzeitig beschäftigen das Stift Heiligenkreuz in den letzten Monaten auch anonyme Briefe mit schwerwiegenden Anschuldigungen – es sollen mehrere Dutzend inzwischen im Umlauf sein, die Schätzung liegt bei rund 40 bis 50. Darin ist von Missbrauchsvorwürfen die Rede, auch Anschuldigungen im Zuge einer Postenvergabe werden in den Briefen geschildert.
Das Stift Heiligenkreuz schaltete daraufhin seinerseits die Behörden ein, seit 24. März liegt der Fall bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt. Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft, sagt gegenüber "Heute": "Es wird gegen vorerst unbekannte Täter wegen des Verdachts der versuchten Nötigung und Verleumdung ermittelt." Es gehe nun darum, den oder die Verfasser der anonymen Schreiben auszuforschen.
Die Ermittlungen führt in dem Fall die Kripo. Stefan Pfandler, Leiter des Landeskriminalamts NÖ, gegenüber "Heute": "Die Ermittlungen stehen erst am Anfang." Die Briefe würden nun spurentechnisch untersucht werden.
Zurück zum Dekret des Vatikans: Dem italienischen Portal "Silere Non Possum" liegt das Schreiben der Vatikanbehörde vor, unterzeichnet von Aitor Jimenez Echave (Papst Franziskus ernannte ihn am 29. Februar 2024 zum Untersekretär des Dikasteriums für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens) sowie Angel Kardinal Fernandez Artime – dieser ist Kurienkardinal und Pro-Präfekt des Dikasteriums.
Das auf Deutsch geschriebene Dokument datiert vom 5. Juni – in der Einführung des Schreibens heißt es: "Hochwürdiger Herr Abt Maximilian, ehrwürdige Mönche des Stifts Heiligenkreuz, wir wenden uns an Sie in Bezug auf einige Hinweise, die dieses Dikasterium der Institute des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens bezüglich der Leitung und Verwaltung der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz hat."
Um sich ein genaueres Bild über die Situation des monastischen Lebens und von der Leitung der Abtei zu verschaffen, habe der "Heilige Stuhl beschlossen, eine Apostolische Visitation ad inquirendum et referendum einzuleiten. Das entsprechende Ernennungsdekret fügen wir diesem Schreiben bei".
Den Apostolischen Visitatoren solle seitens des Abtes und aller Mönche "in konstruktivem und wohlwollendem Geist" begegnet werden. "Ziel dieser Maßnahme ist es zunächst, ein klares Bild der aktuellen Situation zu gewinnen und diesem Dikasterium darüber zu berichten. In einem zweiten Schritt soll die Gemeinschaft darin unterstützt werden, einen eigenen inneren Erneuerungsweg zu beginnen, sie dabei zu begleiten und gegebenenfalls bestehende Schwierigkeiten in einem Geist der Wahrheit und der Brüderlichkeit zu überwinden."
Im beiliegenden Dekret heißt es dann: "Um die Situation der Leitung der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz vertieft kennenzulernen und umfassend zu beurteilen, ernennt dieses Dikasterium hiermit zum Apostolischen Visitator sowie zur Apostolischen Ko-Visitatorin Hoch. P. Jeremias Schröder (Abtprimas der Benediktiner) und Ehr. Sr. Christine Rod (Missionarin Christi)."
"Die Apostolischen Visitatoren sind beauftragt, den Leitungsstil der Abtei in seiner Gesamtheit sowie das persönliche Führungsverhalten des Abtes eingehend zu prüfen. Dabei richtet sich das Augenmerk, insbesondere auf die Beachtung und konsequente Umsetzung des geltenden kirchlichen und ordenseigenen Rechts."
Zugleich werden geprüft, "in welchem Maß geistliche Autorität in verantwortungsbewusstes und dienendes Handeln umgesetzt wird und wie innerhalb der Gemeinschaft mit Kritik, Anregungen und Rückmeldungen umgegangen wird, insbesondere im Hinblick auf Offenheit, Dialogfähigkeit und konstruktive Konfliktkultur".
Dann kommen die anonymen Anschuldigungen ins Spiel: "Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie mit Vorwürfen von Missbrauch oder anderen schwerwiegenden Verfehlungen verfahren wird. Die Visitatoren untersuchen, ob entsprechende Hinweise ernst genommen, ordnungsgemäß bearbeitet und geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Auch die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der internen Abläufe finden hierbei Beachtung."
Weiter heißt es: "Zudem nehmen die Visitatoren die Verfahren zur Unterscheidung von Berufungen, die Anfangsphase der Ausbildung sowie die kontinuierliche Weiterbildung innerhalb der Gemeinschaft in den Blick. Dabei wird bewertet, inwiefern diese Prozesse der persönlichen Reifung und der Stärkung der gemeinschaftlichen Verantwortung dienen. Die Visitatoren legen die Ergebnisse der Visitation diesem Dikasterium vor."
Man könne sich "ohne Einschränkung, in geschütztem Rahmen und mit voller Offenheit an die Visitatoren wenden". Zum Schluss wird aber auch betont: "Um die Erfüllung ihres Auftrags in der gebotenen Gründlichkeit zu gewährleisten, steht den Visitatoren uneingeschränkter Zugang zu allen für die Visitation relevanten Unterlagen zur Verfügung." Die Kosten der Visitation "trägt die Abtei Heiligenkreuz".
Das Stift Heiligenkreuz selbst nahm vor wenigen Tagen zum Dekret Stellung. Damals hieß es noch, man wisse nicht wirklich die Gründe für die Visitation: "Der Heilige Stuhl bittet uns, dies 'als einen Ausdruck wohlwollender Unterstützung zu verstehen, der darauf abzielt, die nachhaltige Entwicklung dieses blühenden Stiftes zu fördern und es vor möglichen inneren wie äußeren Gefährdungen zu bewahren.' Das nehmen wir gerne an." Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.