"Heute"-Kommentar

Nach Wahl-Schock: Polen zeigt der EU die Rote Karte

Ein Mann mit dunkler Vergangenheit schlägt den EU-Freund von Donald Tusk – und wird Polens Regierung lahmlegen. Karol Nawrocki ist Brüssels Albtraum.
Nicolas Kubrak
03.06.2025, 20:00
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Was für eine Blamage! Die polnische Präsidentenwahl vom Sonntag ist nicht nur eine Wahlniederlage für Rafał Trzaskowski (die Zweite nach 2020!) – sie ist ein politischer Denkzettel für Premierminister Donald Tusk, seine Partei PO und damit auch für den liberalen EU-Kurs Warschaus.

Heimatgefühl statt EU-Flair

Trzaskowski, der liberale, gebildete und polyglotte Warschauer Bürgermeister, galt lange als Favorit. Von Tusk offen unterstützt, trat er als sichere Nummer an – doch genau das wurde ihm zum Verhängnis. Statt echte Visionen zu liefern, beschränkte er sich in der Kampagne auf Angriffe gegen die nationalkonservative PiS.

In den ersten Exit Polls lag Trzaskowski sogar vor Nawrocki. Erst im Laufe der Nacht hat sich das Ergebnis gedreht.
WOJTEK RADWANSKI / AFP / picturedesk.com

Auf der anderen Seite: Karol Nawrocki. Ein bisher unbekannter Historiker, mit getrübter Vergangenheit – Vorwürfe von Betrug, Hooligan-Schlägereien, sogar Zuhälterei stehen im Raum. Und trotzdem war er plötzlich der Mann der Stunde. Warum? Er ging als unabhängiger – von der PiS unterstützter Kandidat – ins Rennen. Nawrocki setzte auf Nähe zum konservativen Volk: Er sprach deren Sprache und präsentierte sich als Patriot aus der Mittelschicht.

In Polen punktet man eben nicht mit EU-Flair, sondern mit Heimatgefühl.

Tusk stellt Vertrauensvotum

Die Wahl zeigt einmal mehr, wie tief gespalten das Land ist: Stadt gegen Land, jung gegen alt, Ost gegen West. Und: Wer die Mehrheit der konservativen, ländlichen Wähler ignoriert, verliert.

Jetzt droht Tusks Regierung ein politisches Fiasko, er will mit einem Vertrauensvotum die Reihen schließn. Viele Reformen – etwa beim Abtreibungsrecht oder der Justiz – könnten am Präsidenten scheitern. Denn Nawrocki wird als noch härterer Bremser eingeschätzt als Vorgänger Duda – auch und vor allem in der EU-Politik. Die PiS schaut genüsslich zu und wartet auf ihre Chance zum Comeback – vielleicht schon 2027 (oder früher), mit der rechtsnationalen Konfederacja im Schlepptau.

"Unwählbarer Kandidat" wurde gewählt

Für Tusk und seine Koalition bleibt nur eine Chance: endlich arbeiten, Einigkeit zeigen, Reformen auf den Tisch legen. Und wenn der Präsident blockiert, wenigstens sagen können: "Wir wollten, er nicht." Doch selbst das scheint aktuell Wunschdenken – die Koalition ist sich in vielem uneins, das Chaos dominiert.

Trzaskowski und seine Parteifreunde haben sich verzockt. Der Mann, der eigentlich als "nicht wählbar" galt, hat das Spiel gewonnen. Für Tusk heißt’s jetzt: zittern – und arbeiten. Sonst steht bald mehr als nur das Präsidentenamt auf dem Spiel.

{title && {title} } nico, {title && {title} } Akt. 03.06.2025, 20:00, 03.06.2025, 19:59
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