Drei Richter, acht Geschworene, mehrere Anwälte, zahlreiche Zuschauer und Zeugen: Am Donnerstag fand im größten Saal des Wiener Landesgerichts im vierten Stock ein Prozess statt, der zuvor bereits reichlich für Gesprächsstoff gesorgt hatte. Denn angeklagt war nicht etwa ein gefährlicher Krimineller oder vorsätzlicher Gesetzesbrecher, sondern der fast 80-jährige Buchhändler Rainer Schaden, der sich zeit seines Lebens nichts zu schulden kommen ließ.
Sein "Verbrechen": Er hatte den Nachlass 2016 verstorbenen Historikerin Brigitte Hamann übernommen, sortiert, kategorisiert und auf die Verkaufswebsite hochgeladen. Unter den rund 14.000 Exemplaren der Privatbibliothek der Autorin des bekannten Buchs "Hitlers Wien" befanden sich – zu Forschungszwecken – auch 47 einschlägige Bücher mit Propaganda-Literatur aus der NS-Zeit, darunter Titel wie "Deutsche Wissenschaft und Judenfrage".
Laut Anklage habe Schaden nicht nur in Bücher gebundene NS-Propaganda offeriert, sondern die Tat "auf eine Weise begangen, dass sie vielen Menschen zugänglich wurde" – "Keines der Bücher lag im Geschäft auf", entgegneten die Verteidiger Lukas Kollmann und Michael Pilz. Selbst bei Online-Bestellungen sei sorgfältigst jeder potenzielle Käufer besagter Bücher überprüft worden. Sollte sich etwa die Identität oder der angegebene Forschungsauftrag nicht verifizieren lassen, "stornieren wir die Bestellungen", so der Antiquar. "Wann haben Sie einen so sorgsamen Buchhändler gesehen, seien Sie ehrlich", so Verteidiger Pilz zu den Geschworenen.
"Ich habe mit rechts und Nazis nichts am Hut und bin bekennender Antifaschist", stellte der Buchhändler, der seit über 50 Jahren in seinem von Universitätsprofessoren und Forschern frequentierten Fachliteratur-Geschäft in der Wiener Innenstadt tätig ist, einmal mehr klar. Zudem seien besagte und ähnliche Bücher auch über öffentliche Bibliotheken zu beziehen. "Wenn das heute verurteilt wird, würden auch die Bibliothek des Obersten Gerichtshof oder unser Staatsarchiv unter Verdacht kommen", führten die Verteidiger die Skurrilität des Verfahrens vor.
Urteil ist da – glatter Freispruch
"Wir sind zur Objektivität verpflichtet und müssen jedem Anfangsverdacht nachgehen", rechtfertigt sich die Staatsanwältin schon fast für ihre Anklage. Sie betonte, dass die Bücher nicht wie von Medien kolportiert im Anschluss an das Verfahren verbrannt werden würden, sondern "an eine vertrauenswürdige Stelle" übergeben würden. Man wurde vor Ort den Eindruck nicht los, dass es sich beim angeklagten Buchhändler um genauso jemanden handelt. Die Geschworenen sahen das ähnlich und sprachen ihn einstimmig mit 8:0 Stimmen frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.