Umzüge, Feste, volle Tische: Am ersten Oktober-Sonntag (heuer 5.10.), sagen viele Menschen Danke - für eine reiche Ernte, die uns der Boden schenkt. Genau hier setzt das neue Sachbuch "Mutter Erde. Wie der Verlust des Bodens unseren Planeten bedroht" (Ullstein Verlag, Preis: 26,80 Euro) an.
Der deutsche Biologe und Wissenschaftsjournalist Jörg Blech sowie Bodenökologe Matthias Rillig zeigen in dem Buch, wie Böden entstanden sind, warum sie unsere Lebensversicherung sind - und wie rasant wir sie ruinieren.
"Die Erde ist der einzige Planet mit belebtem Boden. Ohne Boden wäre Leben an Land nicht vorstellbar", sagt Blech im "Heute"-Klimatalk. Was Boden eigentlich ist? "Ein Gemisch aus Kohlenstoff, Mineralien, Luft, Wasser - und vor allem Leben. Mikroorganismen bauen die Bodenkrümel, in denen sie selbst wohnen."
Wie alt ist dieses "erdige" Wunder unter unseren Füßen? "Bevor Pflanzen Wurzeln schlagen konnten, gab es über lange Zeit einen Vorboden. Mikroorganismen gingen vom Meer aufs Land, bearbeiteten Gestein und schufen Schritt für Schritt Boden. Erst danach entstanden die Pflanzen", sagt Blech.
Spannendes Detail von Blechs Erkenntnissen: Unter der Erdoberfläche wird geredet - chemisch: "Im Boden ist es nach wenigen Zentimetern stockdunkel. Kommunikation läuft über Botenstoffe. Bakterien koordinieren sich, Pflanzen und Pilze tasten sich über Signale an eine Symbiose heran", so Blech.
Die Klimakrise wirkt als Turbo: "Man darf die Speicherkapazität des Bodens für Kohlenstoff nicht überschätzen. Wichtiger ist, zu verhindern, dass gespeicherter Kohlenstoff als CO2 entweicht - etwa durch Moorwiedervernässung und klügere Bewirtschaftung." Blechs Rezept: "regenerative Landwirtschaft, weniger Erosion, Bodenbiodiversität schützen, Schadstoffe reduzieren."
Eine Zahl, mit der Autor Blech beim Interview aufhorchen lässt: "In einem Gramm Erde leben mehr als eine Milliarde Organismen. Über 50 Prozent aller Arten auf unserem Planeten könnten im Boden stecken - viele kennen wir gar nicht."
Und ja, ein bisserl "Dreck" schadet Kindern nicht: "Mehr Kontakt mit Bodenmikroben trainiert das Immunsystem. In einer finnischen Studie stärkte Waldboden am Kindergarten-Spielplatz messbar die Abwehr", so der Autor.
Die Schattenseiten des menschlichen Umgangs mit dem Boden: "Intensive Landwirtschaft, Pflügen, Pestizide - dies degradiert Böden. Wind und Wasser tragen fruchtbare Krümel davon. Was 10.000 Jahre gewachsen ist, kann in wenigen Jahren verloren gehen", warnt Blech.
Ein Hauptproblem ist Mikroplastik, das sei längst überall zu finden: "Sogar in der Antarktis. Es zerfällt zu Nanoplastik, dringt in Lebewesen ein - mit unbekannten Folgen."
Was jede und jeder tun kann? "Weniger Fleisch essen. Viehhaltung frisst Fläche. Schon ein moderater Rückgang senkt den Druck auf Böden." Aufforsten allein reiche nicht: "Große Wälder und alte Böden sind unersetzlich. Wir können nicht alles einfach neu pflanzen und denselben Nutzen erwarten."