Geständnis des Seriensiegers

Odermatt mit Selbstzweifeln: "Kannst nur verlieren"

Marco Odermatt feiert Sieg um Sieg – doch der Spaß blieb zuletzt auch auf der Strecke. Der Ski-Superstar spricht offen über Druck und fehlende Freude.
Sport Heute
18.12.2025, 08:58
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In Wengen feiert der Schweizer Franjo von Allmen seinen Sieg, während Marco Odermatt nur wenige Meter daneben Interviews gibt. Er gratuliert, lächelt, wirkt wie immer souverän. Doch innerlich bleibt etwas leer. Erst später, im Gespräch mit seiner Freundin, findet er Worte für das Unbehagen: "Weißt du… heute hat mir das Skifahren gar keinen Spaß gemacht." In diesem Moment erkennt er, dass es nicht das Material war, nicht die Kanten, nicht der Ski – sondern die Freude. Sie war weg.

Es ist Ende 2024, und Marco Odermatt steht vor einer Herausforderung, die fast niemand kennt: dem mentalen Verschleiß des permanenten Erfolgs. Seriensiege, Kristallkugeln, WM-Titel – sie haben seinen Alltag grundlegend verändert. Während für andere Athleten der Sieg Ausnahmezustand ist, wird er für Odermatt zur Routine. "Der ständige Erfolg reduziert das Erfolgserlebnis", schreibt "The Red Bulletin". Der Körper schüttet weniger Adrenalin, weniger Dopamin aus. Erfolg wird Normalität – und Normalität fühlt sich selten aufregend an.

"Was ist der Antrieb?"

Doch die Freude kommt zurück. Schon am Tag nach dem Wengen-Rennen lacht er wieder am Start – wie früher. Er gewinnt. Eine Woche später triumphiert er in Kitzbühel, dann in Saalbach. Wieder Weltmeister, zum dritten Mal. Und kurz danach: Gesamtweltcupsieger, zum vierten Mal in Serie. Platz drei der ewigen Liste, hinter Hirscher und Girardelli.

Trotzdem weiß der 28-Jährige, dass er eine Grenze berührt. Die Routine, die anderen Sicherheit gibt, beginnt ihn zu ermüden. "Was ist der Antrieb?", fragt er offen. Und weiter: "Ob ich diesen Hunger in allen dreißig Rennen, die ich beabsichtige zu fahren, haben werde, bezweifle ich."

Hinzu kommt die Last des Erfolgs: Pressekonferenzen, TV-Schalten, Sponsoren, Autogramme – der Tag eines Seriensiegers hört später auf und beginnt früher. Marco gibt zu, dass ihn das manchmal traurig macht. Gleichzeitig wächst der Druck. "Wenn man so viel gewonnen hat wie ich… dann ist es einfach Fakt: Du kannst nur noch verlieren"

Rekord von Hirscher kein Thema

Zum Glück hat er Menschen, die ihn auffangen. Seine Mentaltrainerin. Oder Helmut Krug, sein Coach im Riesenslalom, der sagt: "Es geht darum, die Leichtigkeit zu bewahren." Er weiß genau, wie sehr der Druck auf seinem Athleten lastet: "Er trägt jede Saison ein Pensum, das andere in zehn Jahren nicht stemmen."

Also ist die große Frage: Was treibt Marco Odermatt weiter an? Die großen Ziele: ein Sieg in Kitzbühel, die Heim-WM 2027 in Crans-Montana. Der Rekord von Marcel Hirscher hingegen? Kein Thema. Dafür bräuchte es Jahre in drei Disziplinen. Odermatt ist sich bewusst, was das kosten würde. Odermatt meint: "Ich weiß, wie anstrengend das ist."

Interessanterweise findet er die neue Freude nicht in den eigenen Erfolgen, sondern in jenen der anderen. In Beaver Creek, als Tumler und Murisier gewannen. In Wengen, als Franjo von Allmen jubelte. Später im Kino, als er den Film "Downhill Skiers" sah: "Wenn ich sehe, wie sich die anderen freuen, berührt mich das. Vielleicht sogar mehr als die eigenen Siege."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 18.12.2025, 11:30, 18.12.2025, 08:58
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