Wladimir Medinski

Putin schickt Lehrbuch-Propagandist nach Istanbul

Der Kreml schickt Wladimir Medinski als Leiter der russischen Delegation an die Ukraine-Gespräche in die Türkei. "Ein schlechter Witz", so Kritiker.
20 Minuten
15.05.2025, 13:28
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Wladimir Putin schickt Wladimir Medinski (54) als Leiter der russischen Delegation zu den Gesprächen nach Istanbul – "eine demonstrative Verhöhnung und Ohrfeige", sagt der kremlkritische Politologe Andrei Nikulin dem "Bayrischen Rundfunk". Das Ganze sei ein "schlechter Witz".

Mit der Entsendung Medinskis schickt Putin einen Vertreter, der bereits 2022 in Istanbul an den ergebnislosen Verhandlungen zur Beendigung des russischen Angriffskrieges beteiligt war. In Russland ist die Begeisterung über die Besetzung des ehemaligen Kulturministers so groß wie im Westen die Resignation darüber.

Botschaft: "Selenski, ergib dich"

Medinski sei eine "hervorragende Wahl", so der Blogger Michail Zwinschuk oder "Rybar" mit 1,2 Millionen Followern. Der Kreml habe Selenskyj Vorschläge "konsequent ignoriert". "Die Zusammensetzung der russischen Delegation bedeutet: 'Selenskyj, ergib dich, nur eine bedingungslose Kapitulation wird dich retten'", kommentiert die St. Petersburger Zeitung "Fontanka". In Istanbul werde wohl eine Art Geschichtsstunde abgehalten: "Es ist, als ob die letzten drei Jahre nie stattgefunden hätten."

Der Verweis auf die Geschichtsstunde kommt nicht von ungefähr. In russischen Schulen lesen die Kinder seit 2023 ein Lehrbuch, das Medinski zusammen mit anderen schrieb.

PR-Historiker und Putin-Ghostwriter

Es ist Revisionismus pur: Stalin wird als "weiser" und "effektiver" Anführer dargestellt und Gorbatschow als inkompetenter Bürokrat verrissen, der dem Druck der USA nicht standgehalten habe. Der Krieg in der Ukraine wird auf 28 Seiten abgehandelt – "eine Reihe von Klischees, die aus dem russischen Fernsehen übernommen wurden", schrieb die New York Times, die den Unterrichtsstoff 2023 näher anschaute …

Medinski ist kein Historiker. Er kommt aus der PR-Branche, war Tabaklobbyist – und später Wladimir Putins Ghostwriter. Er verfasste 2021 etwa dessen Aufsatz über die Ukraine mit. Dieser strotzt vor historischen Falschbehauptungen.

In der Ukraine geboren

Die Ukraine ist demnach eine Schöpfung der Bolschewiken und weder das Zarenreich noch die Sowjetunion haben in der Ukraine jemals irgendetwas Schlimmes angerichtet. Dass Medinski selbst ursprünglich Ukrainer ist – er wurde 1970 in der Region Tscherkassy geboren – verleiht dem Ganzen ein weiteres besonderes Geschmäckle.

Bis heute zitiert Putin bei Reden aus diesem Aufsatz. Er ist auch fast vollständig in dem Lehrbuch abgedruckt, das seit 2023 im Geschichtsunterricht verwendet wird.

"Fakten allein bedeuten nicht viel"

Medinski macht keinen Hehl daraus, dass seine Arbeit nicht wissenschaftlich ist. "Fakten allein bedeuten nicht viel", heißt es in einem seiner vielen Bücher, die er seit 2007 schreibt. "Alles beginnt nicht mit Fakten, sondern mit Interpretationen. Wenn man seine Heimat, sein Volk liebt, dann wird die Geschichte, die man schreibt, immer positiv sein."

Beim geschichtsversessenen Putin kam diese Denke an. Medinski wurde 2012 Kulturminister, mit dem Auftrag, die Militarisierung der russischen Gesellschaft voranzutreiben. 2020 wurde er Putins Assistent, 2022 dann an die Verhandlungsgespräche nach Istanbul geschickt. Dass diese ergebnislos verliefen, kann angesichts Medinskis Haltung zur Ukraine kaum überraschen.

Dass er erneut nach Istanbul geschickt wurde, verweist auf Stillstand. Die Zusammensetzung der Delegation zeige, dass sich Moskau auf einen "langwierigen und möglicherweise völlig scheiternden" Verhandlungsprozess vorbereite, heißt es auf "Geheimkanzlei", einem populären Pro-Kreml-Blog. "Russland ist bereit für ein langes Spiel ohne Illusionen über Zugeständnisse."

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