"Aktuell erreichen uns inoffizielle Informationen darüber, dass in Frankreich ein Staatsstreich am Laufen ist, angeführt von einem Oberst, dessen Identität nicht veröffentlicht wurde, und dass Emmanuel Macron gestürzt werden könnte". So beginnt ein am 11. Dezember auf Facebook von "Live 24" veröffentlichtes Video, das sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Innerhalb von zehn Tagen erreichte es über 13 Millionen Aufrufe.
Das Problem daran: Alles daran ist erfunden. Der Sender "Live 24" existiert in Frankreich nicht (im Gegensatz zum realen "France 24"). Die Reporterin ist, wie das ganze Video, KI-generiert. Die Militärhubschrauber über der Stadt und die schwer bewaffneten Soldaten auf den Straßen – alles nie passiert. In den Tagen danach wurden noch zwei weitere KI-generierte Videos im Stil des realen Radiosenders RFI ("Radio France International") gepostet, die ebenfalls Millionen Zuseher erreichten.
Ein Blick auf irgendeine beliebige andere Nachrichtenseite – oder auch einfach nur ein Blick auf irgendwelche aktuelle Videos aus Paris – hätte den Fake sofort entlarvt. Auch ein Blick auf das Profil des Users, der die drei Videos veröffentlicht hat, hätte stutzig machen können: Dort finden sich etwa weitere Videos, in denen es Elefanten regnet, wie eine französische Nachrichtenseite herausfand, bevor die Videos nach tagelangen Protesten schließlich doch gelöscht wurden.
Doch so funktioniert das Mediennutzungsverhalten in Zeiten von Social Media nicht mehr. Viele Leute beziehen ihre Informationen fast nur noch über ihre Feeds auf TikTok, Instagram, Facebook oder X. Dabei scheint zunehmend das Gespür verloren zu gehen, zu unterscheiden, was echt ist und was nicht. Und zugegeben: Durch die rasante Entwicklung der KI-Technologie wird das auch immer schwieriger.
Dass die Stimme in dem hier angesprochenen Video so metallisch klingt, ist ein verräterisches Zeichen – das in KI-Videos der neuesten Generation allerdings schon überwunden sein soll. Die beste Absicherung, nicht auf Fake-Nachrichten hereinzufallen, bleibt also immer noch, mehrere verschiedene Quellen abzufragen.
Was vielleicht als lustiger Streich auf Kosten eines Politikers durchgehen könnte, hat in Zeiten des hybriden Krieges mit Russland eine viel tiefere Bedeutung. "Die Russen haben ein Interesse daran, dieses Video zu verbreiten", vermutet etwa der Journalist Alban Mikoczy von "France Info" russische Propaganda hinter diesen Videos.
Denn neben dem Fake-Video von "Live 24" wurden in den Tagen danach zwei weitere Videos, die vermeintlich von "RFI" („Radio France International“) stammten, verbreitet, um die Behauptung zu untermauern. Russlands Präsident Putin, der bereits seit vielen Jahren mit hochprofessionellen "Troll-Fabriken" versucht, die politische Stabilität der EU durch Falschmeldungen, gefälschte und manipulierte Fotos und Video zu schwächen, wäre also ein naheliegender Auftraggeber dieser Videos.
Auch Frankreichs Präsident Macron, der laut diesen Videos ja angeblich gestürzt wurde, erkannte rasch den Ernst der Lage und forderte den Facebook-Konzern Meta auf, diese Videos zu löschen. Doch Meta weigerte sich: Das Video verstoße angeblich nicht gegen die Nutzungsbedingungen.
Daraufhin platzte Macron der Kragen: "Ich bin für eine freie, offene Debatte, aber diese Leute machen sich über uns lustig". "Sie (Meta, Anm.) pfeifen auf die Ausgewogenheit öffentlicher Debatten, auf die Souveränität der Demokratien und bringen uns damit in Gefahr." Es brauche daher rasch eine französische und europäische Gesetzgebung, die das Entfernen "offensichtlich falscher Inhalte" sicherstelle, wenn diese destabilisierend wirkten und eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellten.
Zu dem Fakevideo habe sich am Sonntag sogar ein afrikanischer Staatschef bei ihm gemeldet, so Macron: "Er sagt zu mir: Lieber Präsident, was ist bei Ihnen los? Ich mache mir große Sorgen."
Der französische Staatschef forderte zudem, Plattformen dazu zu verpflichten, dass hinter jedem Konto eine natürliche Person stehe und nicht möglicherweise ein Fake-Konto oder ein Troll, denn das verfälsche alles. Die Plattformen müssten Transparenz über Algorithmen schaffen und Konten, über die offensichtlich Einflussnahme auf das öffentliche Leben betrieben werde, müssten viel schneller gelöscht werden können.
Erst nach über einer Woche wurde das von 13 Millionen betrachtete Video nun von Facebook entfernt.