Eine Kundin ärgert sich über die Kassierin, beschimpft sie, kratzt sie, reißt ihr Haare aus, bewirft sie mit dem Einkauf. Ein anderer Kunde will die Rabattmarkerln nicht aufkleben, lässt die Waren auf dem Band liegen, verschwindet. Kurz vor Ladenschluss kehrt er zurück, fasst sich den erstbesten Mitarbeiter, beflegelt und attackiert ihn. Ein weiterer Kunde ärgert sich, weil Aktionsware aus ist, rammt einem Verkäufer die Faust ins Gesicht.
Szenen wie diese häufen sich mittlerweile im Handel, Respekt und Wertschätzung – Fehlanzeige. Besonders der Lebensmittelhandel sei davon betroffen, warnten am Montag bei einer Pressekonferenz GPA-Vorsitzende Barbara Teiber und Billa-Betriebsrätin Sabine Grossensteiner. Das würde auch eine aktuelle Umfrage bestätigen.
Konkret hat bereits die große Mehrheit der 1.513 befragten GPA-Mitglieder Gewalt persönlich am Arbeitsplatz erlebt, jeder zehnte sogar im vergangenen Jahr. Gut die Hälfte gibt zudem an, dass das Ausmaß an Gewalt – beginnend bei Drohungen und Beleidigungen bis hin zu körperlichen Übergriffen – in den letzten fünf Jahren zugenommen hat.
Am häufigsten waren Mitarbeiter von Herumschreien (59 Prozent), Beschimpfung und Beleidigung (58 Prozent), Bedrohung und Einschüchterung (38 Prozent) sowie Hänselei und Verspottung (35 Prozent) betroffen. 77 Prozent hätten zudem laut Studie bereits beobachtet, wie mit Kolleginnen und Kollegen herumgeschrien wurde, gefolgt von Beschimpfungen (75 Prozent) und Hänseleien (67 Prozent).
Besonders häufig sind Frauen Opfer von Grenzüberschreitungen. 40 Prozent der weiblichen Beschäftigten sind demnach mit sexistischen und anzüglichen Witzen konfrontiert. Jede fünfte Befragte wurde zudem am Arbeitsplatz schon einmal verbal sexuell belästigt, vier Prozent zu Opfern von sexuellen Übergriffen.
Ein zunehmendes Problem sieht Grossensteiner in den vielen, ausschließlich mit Frauen besetzte Standorten. Da gebe es mittlerweile Aktionen, wo sich mehrere Männer in kleinen Gruppen in Filialen stellten, provokativ Mitarbeiterinnen beobachteten, über sie teilweise in einer anderen Sprache sprechen, vorbeigehen "und so am Popsch vorbeistreichen" würden. Auch ertappte Diebe würden sofort aggressiv und gegenüber Mitarbeitern handgreiflich.
Mittlerweile machen sich laut Umfrage 39 Prozent der Handelsbeschäftigten Sorgen um ihre Sicherheit. 38 Prozent fühlen sich auf gewaltsame Situationen schlecht oder gar nicht vorbereitet, 24 Prozent denken sogar über einen Jobwechsel nach.
"Wer einkaufen geht, hat keine Lizenz Beschäftigte respektlos zu behandeln", ärgert sich GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Wer Menschen im Handel anschreie, beleidige oder bedrohe, überschreite eine Grenze. Auch Fälle, in denen sich Kunden unmöglich aufführten, sich bei der Firmenleitung beschwerten und noch mit Gutscheinen belohnt würden, seien nicht hinnehmbar. Da gehe es für Arbeitgeber auch darum, sich auf die Seite der Mitarbeiter zu stellen.
Konkret fordern Teiber und Grossensteiner ein Maßnahmenpaket, um Gewaltopfer – wenn notwendig – zu unterstützen. So müsse es schnelle, unbürokratische Hilfe und ein Recht auf Supervision und eine Mindestbesetzung in den Filialen geben, vor allem rund um bekannte Stoßzeiten und Feiertage sowie bei Rabattaktionen.
Zudem verlangen Teiber und Grossensteiner geschulte Gewaltschutzbeauftragte ab 20 Beschäftigten. Die sollen als Ansprechpartner direkt vor Ort und als Schnittstelle zur örtlichen Polizei oder Gewaltschutzorganisationen dienen. Zusätzlich müsse bei der räumlichen Gestaltung der Filialen auf den Schutz der Beschäftigten geachtet werden. Enge Gänge oder zu kleine Kassabereiche würden Kunden ungewollt in Stresssituationen bringen.