Hereingelegt zu werden, macht keinen Spaß, besonders, wenn man nichts dagegen machen kann. Auf dem Werbemarkt passiere allerdings genau dies immer wieder, wie die Organisation Foodwatch sagt. Deswegen führte sie den "Goldenen Windbeutel" ein. Ein Schmäh-Preis, um auf Werbetricks der Lebensmittelhersteller aufmerksam zu machen.
Dieses Jahr sind fünf Produkte für den Preis nominiert, die von bekannten Marken wie Milka bis zu Influencer-Artikeln reichen.
Konsumentinnen und Konsumenten können nun abstimmen, wer von ihnen den "Goldenen Windbeutel 2025" gewinnen soll. Das sind die Nominierten:
Das sagt Foodwatch: Mit "100 Prozent natürliche Zutaten" gaukle Rama eine Natürlichkeit vor, die schlicht nicht existiere. Das Produkt sei eine industriell hergestellte Margarine mit typischen Zusatzstoffen. "Natürliche Zutaten" sind rechtlich nicht definiert – aus der Sicht von Foodwatch ein Freifahrtschein für Marketingtricks. Verbraucher würden minimal verarbeitete Lebensmittel ohne Zusatzstoffe erwarten und Rama liefere das Gegenteil: "Hoch verarbeitete Emulgatoren, isolierte Vitamine und 'natürliche' Aromen, die zwar aus natürlichen Rohstoffen stammen können, aber technisch stark bearbeitet wurden."
Das sagt der Hersteller: Auf Anfrage widerspricht das Unternehmen der Nominierung ausdrücklich und entschieden. Die Auslobung "100 Prozent natürliche Zutaten" biete Verbraucherinnen und Verbrauchern eine klare und vertrauenswürdige Orientierungshilfe. "Nach unserer Auffassung gilt eine Zutat als natürlich, wenn sie aus natürlichen Quellen (zum Beispiel Pflanzen, mikrobiologische Fermentation) stammt und ihre natürliche Struktur ohne chemische Modifikation beibehält."
Das sagt Foodwatch: Die Rapperin Shirin David verspreche für ihren Eistee einen sichtbaren Glow-Effekt und "schöne Haut und Nägel" – verkaufe aber nur überzuckerten Eistee. DirTea Glow habe einen Zuckergehalt wie Fanta und würde gemäß Foodwatch den Nutri-Score D bekommen.
Ein hoher Zuckerkonsum wirke sich zudem negativ auf die Hautgesundheit aus. Beworbene Nährstoffe wie Biotin und Zink verbesserten körperliche Funktionen außerdem nicht über das normale Maß hinaus.
Das sagt der Hersteller: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat das Management von Shirin David auf die Anfrage von "20 Minuten" noch nicht Stellung genommen.
Das sagt Foodwatch: Auch beim Menstru Chocbar kritisiert Foodwatch mutmaßliche irreführende Aussagen zum gesundheitlichen Effekt des Produkts. Die Firma InnoNature bewirbt ihren Schokoriegel MenstruChocbar mit dem Slogan "mit allem, was Dein Körper und Deine Seele braucht". Mit Eisen, rotem Maca und Vitamin B6 soll er zum Wohlbefinden während der Menstruation beitragen. Jedoch sei für keinen der Inhaltsstoffe die beworbene Wirkung nachweisbar – für Maca fehlten sogar Sicherheitsnachweise.
Das sagt der Hersteller: Gemäß InnoNature mache das Unternehmen kein Heilsversprechen, sondern kombiniere Genuss mit durchdachten Mikronährstoffen. Mit einem Zuckergehalt von 36 Prozent liege der Riegel zudem deutlich unter dem Durchschnitt marktüblicher Schokoriegel. Zusätzlich verweist InnoNature auf Studien, die den Nutzen und die Sicherheit der Inhaltsstoffe nachweisen.
Das sagt Foodwatch: Mondelēz habe den Packungsinhalt von 100 auf 90 Gramm verringert – und kurz vorher den Preis von 1,49 Euro auf 1,99 Euro erhöht. Dies komme einer Preiserhöhung von 48 Prozent gleich. Angefragt, wieso die Milchschokolade von Mondelēz unter den Nominierten ist, gesteht Foodwatch ein, dass es sich hier zwar nicht direkt um eine Werbelüge handle, die Schokolade aber als Beispiel für Shrinkflation genommen wurde.
Bei den Anpassungen handle es sich um eine "Mogelpackung", da die Veränderung auf den ersten Blick nicht zu erkennen sei. So sei etwa die Verpackungsgröße trotz des geringeren Inhalts gleich geblieben. Damit würden Konsumenten getäuscht werden.
Das sagt der Hersteller: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hat Mondelēz auf Anfrage von "20 Minuten" noch nicht Stellung genommen.
Das sagt Foodwatch: Fish Tales weigere sich, die Herkunft ihres "nachhaltigen" Räucherlachses preiszugeben – obwohl das ASC-Siegel auf der Verpackung verspricht: "Rückverfolgbar bis zur Farm". Doch statt Transparenz gebe es Geheimniskrämerei. Gegenüber Foodwatch nenne die Firma nur den Skandalkonzern Grieg Seafood als Bezugsquelle. Der Konzern sei zu groß, die Farm variiere je nach Bestellung.
Das sagt der Hersteller: Gegenüber "20 Minuten" sagt Fish Tales, dass das Unternehmen sehr enttäuscht über die Nominierung sei. "Auch bei dem konkreten Produkt, das wir Foodwatch genannt haben, sind wir in der Lage, es bis zum Landwirt zurückzuverfolgen." Außerdem seien einige der Behauptungen in dem Artikel nicht korrekt.
Und zwar weil: "Tatsächlich werden diese Produkte ab September dieses Jahres nicht mehr im Handel erhältlich sein." Das neue Produkt werde vollständig von einem neuen Atlantiklachszüchter bezogen. "Dies ist ein Schritt nach vorn im Vergleich zu unserem derzeitigen Produkt, da es weit über Zertifizierungssysteme hinausgeht."
Über ein Onlineportal können Konsumentinnen und Konsumenten durch das Jahr Fälle melden, die sie für nominierungswürdig halten, wie ein Sprecher von Foodwatch erklärt. Zusätzlich führe das Team der Organisation eigene Recherchen durch. Aus dieser Sammlung wähle Foodwatch dann jeweils fünf Produkte aus, die eine möglichst breite Bandbreite an irreführender Werbung abbilden soll.
Das Ziel der Organisation sei vordergründig, solche Werbung aus den Supermärkten zu räumen. Wenn das Engagement dazu führe, dass die Hersteller ihre Produkte überarbeiten, sei dies ein Erfolg. Langfristig sei das Ziel aber, auf das aus ihrer Sicht systematische Problem der Werbung aufmerksam zu machen.