Streit unter Drogendealern

Schüsse am Yppenplatz: "Wenn ich wollte, wären sie tot"

Nach einem brutalen Angriff am Yppenplatz in Ottakring wurde nun ein Schuldspruch gefällt. Beide Angeklagten wurden rechtskräftig verurteilt.
Christoph Weichsler
26.06.2025, 21:00
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Mitten am belebten Yppenplatz in Wien-Ottakring sollen zwei Männer drei Personen gezielt angegriffen haben – mit Schüssen und einem Messer. Die Staatsanwaltschaft spricht von versuchtem Mord. Abdalahe A. (21) und Youssef B. (29) stehen seit Donnerstag am Wiener Landesgericht vor einem Geschworenengericht.

Die Tat ereignete sich am Abend des 14. Juli 2024. Drei Männer wurden verletzt – zwei durch Schüsse, ein weiterer durch einen Messerangriff. Der Yppenplatz gilt als beliebter Treffpunkt, angrenzend an den Brunnenmarkt, einem der größten Straßenmärkte Europas. "Dort halten sich Kinder, Familien, Marktbesucher auf. Und plötzlich fallen Schüsse", so der Staatsanwalt.

"Wenn ich sie töten wollte …"

Abdalahe A., welcher aus Libyen stammt, räumt im Gericht ein: "Ich habe viermal geschossen. Aber ich wollte sie nicht töten." Er wirkt kontrolliert, fast kalt. Dann der Satz, der im Saal hängen bleibt: "Wenn ich sie töten wollte, hätte ich ihnen in den Kopf geschossen – nicht in den Hintern." Auch gebürtige Algerier Youssef B. gesteht seine Beteiligung, nennt den Messerangriff aber eine "Drohung".

Die beiden Verteidiger im Prozess: Alexander Philipp (li.) vertrat Abdalahe A., Andreas Reichenbach (re.) verteidigte Youssef B.
Sabine Hertel / Denise Auer

Während die Staatsanwaltschaft von gezielter Gewalt und Tötungsvorsatz sprach, stellten die Verteidiger das Geschehen in einen anderen Zusammenhang. Alexander Philipp, der Youssef Nadir B. vertrat, sah im Messerangriff keine gezielte Attacke, sondern eine bedrohende Geste im Zuge einer angespannten Situation.

Auch Andreas Reichenbach, Verteidiger von Abdalahe A., sprach von einer spontanen Eskalation unter emotional aufgeladenen Umständen – nicht von einer geplanten Gewalttat. Beide Verteidiger appellierten an die Geschworenen, den konkreten Ablauf differenziert zu bewerten.

Plötzlich weiß niemand mehr etwas

Überraschend blass präsentierten sich im Prozess die beiden Opfer. Ibrahim K. (23) – Name geändert – der mehrere Schussverletzungen erlitt, sagte lediglich: "Ich will nichts sagen, was falsch verstanden werden könnte." Auf Nachfragen reagierte er ausweichend, eine Verwicklung in Drogengeschäfte wies er entschieden zurück. Ibrahim befindet sich aktuell in Untersuchungshaft.

Auch Khaled G. (19) – Name geändert – konnte sich plötzlich kaum noch erinnern – obwohl er zuvor bei der Polizei klar belastende Aussagen gemacht hatte. Er sitzt aktuell wegen schweren Raubes in Strafhaft. Ahmad J. (48) – Name geändert – ein unbeteiligter Zeuge, hatte das Geschehen vom Yppenplatz aus beobachtet. Er gab an, gesehen und gehört zu haben, wie geschossen wurde – konkrete Täter konnte er jedoch nicht benennen. Im Gerichtssaal blieb vieles vage – das Schweigen fiel auf.

Gutachter: "Millimeter entschieden"

Die medizinischen Folgen der Tat waren allerdings deutlich: Ein Projektil musste operativ entfernt werden, ein Opfer musste vor Ort narkotisiert und intubiert werden. Der Sachverständige betonte, dass schon geringe Abweichungen tödlich gewesen wären: "Die Oberschenkelarterie hätte getroffen werden können."

Gezeigt wurden Bilder der Verletzungen, teils mit sichtbaren Schusskanälen, Wundnähten und Narben. Bei einem Opfer wurden sogenannte Schussbrüche festgestellt – Knochen splitterten durch die Einschläge. Eine andere Stichverletzung wurde als "leichtgradig" eingestuft, blieb jedoch nicht folgenlos.

Urteil noch ausständig

Am Ende des ersten Prozesstags bleibt ein Bild voller Widersprüche: zwei geständige Täter, drei auffallend schweigsame Opfer – und eine Tat, die sich mitten im Wiener Alltag abgespielt hat. Der Yppenplatz, sonst Ort des Miteinanders, wurde Schauplatz eines Konflikts im Drogenmilieu.

Die Geschworenen entschieden auf absichtliche schwere Körperverletzung. Der Mandant von Alexander Philipp wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Youssef B., vertreten von Star-Anwalt Andreas Reichenbach, erhielt fünf Jahre – ein vergleichsweise milderes Strafmaß, das auch auf die Argumentationslinie der Verteidigung zurückzuführen sein dürfte.

{title && {title} } CW, {title && {title} } Akt. 27.06.2025, 09:53, 26.06.2025, 21:00
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