Gesundheit

"Schulschließung schützt nur ungeimpfte Erwachsene"

In den Kinder- und Jugendpsychiatrien wird Triage gelebt. Die psychischen Probleme haben mit den Lockdowns und Schulschließungen stark zugenommen.

Christine Scharfetter
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Schulschließungen könnten die Zahlen in den Kinder- und Jugendpsychiatrien noch einmal ansteigen lassen, befürchtet Dr. Paul Plener.
Schulschließungen könnten die Zahlen in den Kinder- und Jugendpsychiatrien noch einmal ansteigen lassen, befürchtet Dr. Paul Plener.
istock, Med. Universität Wien

"Eine Pandemie auf Kosten der Kinder" trifft es aktuell wohl am ehesten: Während es den jungen Menschen unseres Landes zunehmend psychisch schlecht geht und in den Kinder- und Jugendpsychiatrien nur noch besonders kritische Fälle mit hohen Gefahrenpotential für sich selbst und andere aufgenommen werden, wird über eine erneute Schließung der Schulen diskutiert.

Eine Maßnahme, vor der man sich in den Einrichtungen schon jetzt "fürchtet", wie Dr. Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Wiener AKHs, überspitzt im "Heute"-Gespräch sagt. "Wir sind nach wie vor in der Situation, dass wir genau schauen müssen, wer braucht wirklich akut Hilfe." Die Warteliste in seiner Klinik reiche mittlerweile mehrere Monate zurück.

Steigende Fälle von Suizidversuchen

Besonders auffällig sei die starke Zunahme an Jugendlichen, die nach einem Suizidversuch bei ihnen vorstellig werden. "Einige kommen von sich aus zu uns, andere nach einer medizinischen Versorgung", erzählt der Kinder- und Jugendpsychiater. Die Ausgangspunkte seien hier vor allem depressive Entwicklungen und Essstörungen. Ein Resultat aus Lockdowns und "Distance Learning", wie Plener betont. 

"Es gibt eine starke Zunahme an Jugendlichen, die nach einem Suizidversuch bei uns vorstellig werden."

Dies zeigt auch eine aktuelle Studie des Mediziners gemeinsam mit der Donau Uni Krems, die im Fachblatt "JAMA Network Open" veröffentlicht wurde. Demnach zeichnet sich deutlich ab, dass Schulschließungen und weniger soziale Kontakte durch Lockdowns zu einer Zunahme von psychischen Erkrankungen führen. Während der Periode, in der die Schulen offen waren, gab es hier einen deutlichen Rückgang. Besonders davon betroffen sind jugendliche Mädchen.

Offene Schulen gewährleisten eine psychische Stabilität

Ein möglichst hohes Ausmaß an Normalität für Kinder und Jugendliche sei deshalb wichtig. "Soziale Kontakte und offene Schulen scheinen ein wesentlicher Faktor für die psychische Stabilität zu sein." Er sorge sich deshalb, dass "eine erneute Schließung wieder zu einer Häufung psychischer Erkrankungen führen könnte." 

"Eine Freiheit, die auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird."

Plener plädiert aus diesem Grund für "offene Schulen, wie es sehr viele andere Nationen auch praktizieren." Das Infektionsgeschehen innerhalb der Klassenzimmer sei in seinen Augen hingegen ein geringeres Problem. "Natürlich gibt es Einzelfälle, aber grundsätzlich sind Kinder und Jugendlich seltener von einem schweren Covid-Verlauf betroffen. Wenn wir die Schulen schließen, dann tun wir das nur, um Erwachsene zu schützen, die sich die Freiheit herausnehmen, sich nicht impfen zu lassen", sagt der Psychiater. "Eine Freiheit, die auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird."