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See-Doku regt auf – jetzt reagiert ORF-Star auf Kritik

Die ORF-Show "Dok 1: Neusiedl ohne See" lässt im Burgenland die Wogen hochgehen. Moderator Hanno Settele kontert Kritiker jetzt mit trockenem Schmäh.

Roman Palman
Für Hanno Settele ist glasklar: Die Sendung "Neusiedl ohne See" war eindeutig Satire.
Für Hanno Settele ist glasklar: Die Sendung "Neusiedl ohne See" war eindeutig Satire.
Screenshot ORF; "Heute"-Montage

"Menschliche Entwässerungsmaßnahmen und der Klimawandel haben gewonnen – vom Steppensee ist jetzt nur noch die Steppe übrig, die Landschaft sieht aus wie nach einer Zombie-Apokalypse". Mit diesem dystopischen Blick in die Zukunft beginnt Hanno Setteles Reise an einen überraschend völlig ausgetrockneten Neusiedler See, um surfen zu lernen.

Die Dok1-Sendung "Neusiedl ohne See" blieb nicht ohne Folgen: offenbar nahmen einige Zuseher das als filmisch-satirisch gedachte Gedankenexperiment für bare Münze. Die in der Sendung gezeigten, durchaus realistisch wirkenden aber künstlich erzeugten Bilder des knochentrockenen Seebodens lösten eine Stornowelle aus.

"Drei Schulklassen haben etwa ihre Sportwoche nun storniert, viele Anfragen wurden jetzt gar nicht gebucht. Die Macht der Bilder wurde unterschätzt", so Burgenland-Tourismus-Chef Didi Tunkel gegenüber"Heute".

Er ist stinksauer: "Satire endet dort, wo andere Schaden erleiden", donnerte er in einem offenen (Protest-)Brief an ORF-Direktor Roland Weißmann und Settele und erklärte: "Der Stand des Sees liegt derzeit über dem des Vorjahres. Es ist genug Wasser da, bis auf Ausfahrten mit Segelbooten mit starkem Tiefgang ist alles möglich".

Hanno Settele wehrt sich

Der ORF-Moderator schlägt nun laut "Standard" in einem eigenen Schreiben zurück. Die Szenen in seiner Sendung seien "ohne jeden Zweifel als Satire erkennbar". Und: Der ORF und die ausführende Produktionsfirma hätten "von Vornherein unmissverständlich klargemacht", dass es sich bei dieser Sendung um eine satirische Betrachtung eines ernsten Problems handele. Dies sei auch in den Programmankündigungen und Berichten rund um das Werk "evident".

In seiner Reaktion greift der Fernsehjournalist auch einzelne Szenen hervor und unterstreicht ihre bizarre Natur:

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    Moderator Hanno Settele sorgte mit der Mockumentary "Neusiedl ohne See" für Aufregung.
    Moderator Hanno Settele sorgte mit der Mockumentary "Neusiedl ohne See" für Aufregung.
    ORF/BFILM

    In der Mockumentary wird etwa ein Bootshändler gezeigt, der in Abwesenheit des Wassers ein Segelboot mit einem Mini-Traktor über einen Parkplatz zieht. Oben drauf eine Frau, die proklamiert, dass sie diese Ausfahrt "eh genieße". Weiters sind auch Winzer Erich Scheiblhofer, der überlegt, seine Weine künftig "Desert Storm" oder "Armageddon" zu nennen, und Sänger Waterloo, der inbrünstig versucht, mit einem Jodler ähnlich einem indianischem Regentanz den See "zurückzusingen", zu sehen.

    "Ich glaube nicht, dass Verwechslungsgefahr mit der Realität besteht", kontert Settele. Solch "groteske Szenen" seien eindeutig als Satire erkennbar und "jenseits jeder realistischen Vorstellungskraft".

    "Das war die Absicht hinter diesem Film"

    Die letzten Minuten der Sendung würden keinen Zweifel darüber lassen, wie es in der Realität derzeit aussieht: "Nämlich dass der See eben nicht ausgetrocknet ist. Wir aber alle Anstrengungen unternehmen müssen, dass es nicht dazu kommt. Bewusstsein zu schaffen: Das war die Absicht hinter diesem Film."

    Ebenso weist Settele Tunkels Behauptung zurück, dass der ORF sein Interviewangebot für "Neusiedl ohne See" abgewiesen habe. Tunkel sei zwei Mal in persönlichen Gesprächen – einmal vom Produzenten und einmal von Settele selbst – gebeten worden, mitzuwirken. Tunkel hätte dem Team dabei "unmissverständlich klargemacht, dass [er] 'für so eine Sendung nicht zur Verfügung stehen'" würde, betont der Sendungsverantwortliche.

    Noch ist Wasser da. Blick auf den Neusiedler See bei Mörbisch, aufgenommen am 3. Juni 2023.
    Noch ist Wasser da. Blick auf den Neusiedler See bei Mörbisch, aufgenommen am 3. Juni 2023.
    Andreas Lepsi / picturedesk.com

    Niedrigster Wasserstand seit 1965

    Fakt ist, der See ist nicht wirklich ausgetrocknet, aber auch Tourimus-Chef Tunkel liegt mit seiner Aussage, der Wasserstand liege über dem des Vorjahres, daneben.

    Die offiziellen Wasserstandsaufzeichnungen des Burgenlands (siehe Grafik unten) zeigen, dass der Neusiedler See im Mittel auf einem seit Messbeginn 1965 nie verzeichneten Niedrigstand ins Jahr startete:

    <strong>Langzeitvergleich des Wasserstandes des Neusiedler Sees seit 1965 in Meter über Adria</strong>. Erst der nasse April und Mai haben den See vom Allzeitmesstief wieder an das Vorjahresminimum herangebracht.
    Langzeitvergleich des Wasserstandes des Neusiedler Sees seit 1965 in Meter über Adria. Erst der nasse April und Mai haben den See vom Allzeitmesstief wieder an das Vorjahresminimum herangebracht.
    Wasserportal Burgenland / wasser.bgld.gv.at

    Erst durch den nassen April und Mai konnte der See gerade einmal auf den Pegel von 2022 (115,17 Meter über Adria) ansteigen – letzterer war zu dieser Jahreszeit bereits der niedrigste Wasserstand in fast 60 Jahren.

    Der Messnullpunkt des Neusiedler Sees wird von Burgenlands Hydrographischem Dienst mit 114,0 müA angegeben. Die durchschnittliche Wassertiefe beträgt also aktuell 117 Zentimeter, bzw. 1,17 Meter.

    Der Maximale Wasserstand der Messperiode am Vergleichstag wurde übrigens 1996 verzeichnet. Mit 115,92 müA war der Pegel des flachen Steppensees damals 75 Zentimeter höher als heute.

    Der Hafen beim Seebad Illmitz am Neusiedler See bei extrem niedrigem Wasserstand im November 2022.
    Der Hafen beim Seebad Illmitz am Neusiedler See bei extrem niedrigem Wasserstand im November 2022.
    Willfried Gredler-Oxenbauer / picturedesk.com

    Neusiedler See hat sich völlig verändert

    Während erst seit 1. Jänner 1965 der Wasserstand wirklich auch akribisch auf täglicher Basis aufgezeichnet wird, gibt es natürlich zahlreich Berichte zu früheren Ereignissen in der Region. Dabei wird deutlich, dass der Neusiedler See von damals nicht der Neusiedler See von heute ist.

    Der Mensch hat diesen Naturraum in den vergangenen Jahrhundert mit massiven Eingriffen entscheidend verändert. Zu diesem Schluss kam ein Forscherteam des Instituts für Geologie der Universität Wien in Folge einer historischen Studie.

    Während heute die Wulka der einzige nennenswerte Zufluss des Neusiedler Sees ist und eine Dammstraße diesen von der angrenzenden Moorlandschaft Hanság abtrennt, zeigen "fast alle historischen topografischen Karten vor 1780 den See und den Hanság als zusammenhängendes Gebiet", so die Wissenschaftler. Die Ikva, Rabnitz und Kleine Raab haben damals darin entwässert und bei Győr gab es sogar einen Abfluss aus diesem Gebiet zur Kleinen Donau.

    Altkolorierte Kupferstichkarte von Ostösterreich um 1730. Im Bildausschnitt der Neusiedler See. Altenburg rechts ist das heutige Mosonmagyaróvár.
    Altkolorierte Kupferstichkarte von Ostösterreich um 1730. Im Bildausschnitt der Neusiedler See. Altenburg rechts ist das heutige Mosonmagyaróvár.
    Austrian Archives / brandstaetter images / picturedesk.com

    "Dies zeigt deutlich, dass der Neusiedler See in der Vergangenheit kein abflussloser See wie heute", erklärt Erich Draganits, der Leiter der Studie am Institut für Geologie der Universität Wien. Und: der Wasserspiegel des Sees schwankte viel stärker als die Daten der modernen Aufzeichnungen zeigen.

    Bereits gänzlich ausgetrocknet

    Der bisher höchste dokumentierte Wasserstand wurde demnach während eines Hochwassers der Raab (Rába, ungarisch) im Jahr 1853 verzeichnet. Damals schwoll der Neusiedler See auf einen Pegel von 117,6 müA an und lag somit rund 2,5 Meter über dem heutigen Niveau. "Das ist enorm viel, und dabei wurden auch weite Gebiete überschwemmt", erinnert Draganits.

    Nur 12 Jahre später folgte das nächste Extrem: im Jahr 1865 trocknete der See für fünf Jahre vollständig aus. "Die Schwankungen waren somit deutlich größer als heute", fasst der Geologe zusammen. "Den 'Steppensee' in seiner jetzigen Form gab es somit nicht – vielmehr war die Entwicklung damals viel dynamischer als heute."

    Die bauliche Abschottung des Sees bleibt nicht ohne Folgen. Es sei dem Naturraum nicht mehr so gut möglich, in feuchten Jahren Wasserreserven für trockene Zeiten aufzubauen. "Dies wird heutzutage verhindert – schließlich sind die heutigen Siedlungen, Städte und Tourismusgebiete sehr nahe am Wasser gelegen, oft innerhalb seiner früheren Ausdehnung".

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      Der Zicksee in der Marktgemeinde Sankt Andrä im Seewinkel trocknet rasant aus.
      Der Zicksee in der Marktgemeinde Sankt Andrä im Seewinkel trocknet rasant aus.
      Leserreporter

      Ein komplexes System

      Auch der Großteil der für die Region typischen Lacken sei dadurch verschwunden. "Während heute nur mehr rund 20 Lacken existieren, zeigt die Interpretation hochauflösender digitaler Gelände Modelle die frühere Existenz von mehr als 370 Lacken in diesem Gebiet", so der Geologe abschließend.

      Er warnt daher vor Ideen wie etwa einer künstlichen Wasserzuleitung, ohne umfassende Analyse der möglichen Folgen: "Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten, sagte schon Helmut Kohl – und das gilt insbesondere auch bei der Planung wasserwirtschaftlicher Eingriffe in komplexe Systeme".

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