Ziemlich gefrotzelt fühlen sich die Briten angesichts einer neuen "Sicherheitskampagne" auf der belebten Oxford Street im Herzen Londons. Das Kaufhaus Curry’s hat dort Warnhinweise auf die Straße geklebt, um seine Kunden daran zu "erinnern, dass alle 15 Minuten ein Handy gestohlen" wird. "Mind the grab" (übersetzt: Achtung vor Zugriffen, gemeint sind Diebstähle) heißt es darauf in einer halblustigen Anspielung auf die bekannten "Mind the gap!"-Durchsagen in der U-Bahn.
Hier stößt der britische Humor jedoch an seine Grenzen. "Das ist ein Witz!?", reagieren viele Passanten in einer Straßenbefragung der britischen Tageszeitung "Daily Mail" mit Unverständnis – und fragen sich, wozu es eigentlich eine Polizei gibt. "Die Polizei sollte hier ab und zu mal patrouillieren", witzelt eine der Befragten (21). "In Dubai würde das nicht passieren, weil die Leute wissen, dass sie dafür bestraft werden", schlägt ihre Freundin (27) in dieselbe Kerbe.
Das Problem an der Oxford Street, aber auch an anderen Orten mit großen Menschenansammlungen ist folgendes: Männer, die mit Motorradhelmen "maskiert" sind, lauern mit Mopeds oder Motorrädern auf der Straße, bis sie ein geeignetes Opfer in der Nähe der Gehsteigkante erblicken, das "blind" auf sein Handy starrt. In einem blitzschnellen Manöver fahren der oder die Räuber hin und einer reißt dem Opfer das Handy aus der Hand. So schnell wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder weg.
In Teilen Londons sollen Banden von Teenagern auf Fahrrädern oder Motorrädern bis zu 20 Diebstähle am Tag begehen, wobei drei Viertel der in der Hauptstadt gestohlenen Geräte ins Ausland geschickt werden, schreibt die Daily Mail.
Ein 22-jähriger mit indischen Wurzeln erklärt der "Daily Mail", er habe einmal in Mumbai sein Handy verloren und die Polizisten hätten ihm geholfen, es wieder zu finden. Aber in London sei es der Polizei egal, wenn einem jemand das Handy auf offener Straße aus der Hand reißt. "Im Idealfall wären hier mehr Polizisten unterwegs. Aber dazu braucht man Personal und Geld", hält er rasche Verbesserungen für unrealistisch.
Ein 51-jähriger Tourist aus Italien sieht aber auch die (potenziellen) Opfer in der Pflicht: Würden die Leute nicht ständig nur aufs Handy starren, sondern auch mal ihre Umgebung beobachten, würde das schon helfen. "Handys einfach mal in die Tasche stecken" und viele Diebstähle könnten vermieden werden, meint er in der Straßenumfrage.
Die konservative Opposition kritisiert die Aktion als "Werbegag" des sozialdemokratischen Bürgermeisters Sadiq Khan (Labour) und lässt auch an der Polizei kein gutes Haar. Die Führung der Metropolitan Police habe die Kampagne "Mind the Grab" gemeinsam mit dem Kaufhaus Curry’s mit aller Kraft unterstützt. Als ob ein paar Aufkleber verhindern würden, dass alle 15 Minuten ein Handy gestohlen würde.
Die Parteivorsitzende der Konservativen in London, Susan Hall (Torys), betrachtet das Ganze als reine Geldverschwendung: "Wie viel Geld wurde für diese nutzlose Beschilderung verschwendet, das man für die Überwachung der Oxford Street und die Bekämpfung dieses weit verbreiteten Handydiebstahls hätte ausgeben können?"
Superintendentin Natasha Evans, die örtliche Polizeichefin der Metropolitan Police für Westminster, sagte: "Die Beamten verfolgen kriminelle Banden, die Raubüberfälle und Handydiebstähle begehen wollen, unerbittlich." "Wir haben die Patrouillen in Hotspot-Gebieten verstärkt, um Täter zu identifizieren und abzuschrecken – und die Zahl der Raubüberfälle ist im West End seit April um 20 Prozent zurückgegangen."
Norman Brennan, ein ehemaliger Londoner Polizeikommissar, bezeichnete die Kampagne als "sinnlosen PR-Stunt" und hat seine eigenen Vorstellungen davon, was wirklich helfen könnte.„Wenn Sie Handydiebstähle verhindern wollen, brauchen Sie Polizisten auf den Straßen und keine lila Linien.“ "Wir müssen rund um die Uhr 50 bis 100 Motorradfahrer im Einsatz haben, damit es auf den Straßen Londons schnelle Reaktionseinheiten gibt, um Motorraddiebstählen entgegenzutreten", erklärte er der "Daily Mail".
Das Kaufhaus Curry’s plant indes, das Programm mit der Zeit auf andere Geschäfte auszuweiten. Man hofft, mit der Regierung und den lokalen Behörden zusammenarbeiten zu können, um die Menschen daran zu erinnern, ihre Telefone öfter zu "verstecken".