Am Donnerstag hatte die Friedensnobelpreisträgerin und venezolanische Oppositionspolitikerin María Corina Machado in Oslo ihren ersten öffentlichen Auftritt seit elf Monaten: Sie winkte einige Minuten lang vom Balkon des Grand Hotels Dutzenden jubelnden Anhängern zu, die sich vor dem Gebäude versammelt hatten. Die Verleihung ihres Nobelpreises hatte Machado abends zuvor verpasst; stattdessen nahm ihre Tochter Ana Corina Sosa den Preis entgegen.
Machado wird in Venezuela gesucht. Seit der umstrittenen Wiederwahl des linksnationalistischen Präsidenten Nicolás Maduro lebt sie in ihrem eigenen Heimatland im Untergrund. Was es für eine Mammutaufgabe war, die Politikerin unerkannt und heil aus Venezuela zu bringen, erfuhr CBS News direkt vom privaten Rettungsteam, das dafür zuständig war. Mehr als zwei Dutzend Personen waren involviert.
Fast 16 Stunden dauerte die waghalsige Operation, bis Machado endlich auf dem Weg nach Norwegen war. Die Grey Bull Rescue Foundation brachte die 56-Jährige zunächst heimlich aus ihrem Versteck zu einem zuvor festgelegten Punkt. Einem Medienbericht zufolge war Machado verkleidet und mit Perücke an zahlreichen Militärposten vorbei zunächst aus einem Vorort der Hauptstadt Caracas gebracht worden. Wie und von wem genau, verrät Grey-Bull-Chef Bryan Stern nicht – zu heikel seien die Informationen für zukünftige Operationen. Dieser erste Teil war besonders gefährlich, weil Machado sich noch im Einflussbereich des Maduro-Regimes befand.
Dann wurde die Nobelpreisträgerin unerkannt an Bord eines kleinen Bootes gebracht, das sie aus venezolanischen Hoheitsgewässern herausbringen sollte. Sobald das Boot abgelegt hatte, begann die Flucht auf dem Wasser. Die See war rau, die Sicht miserabel und das Boot fuhr ohne Licht, um nicht entdeckt zu werden. Die hohen Wellen waren zugleich Tarnung und Risiko: Sie erschwerten gegnerisches Radar, machten die Fahrt aber lebensgefährlich.
Stern, ein Veteran der US-Spezialkräfte, schildert die Aktion als eine der gefährlichsten, die sein Team je durchgeführt hat. Wegen Machados Prominenz und der angespannten Lage zwischen dem Maduro-Regime und den USA sei die Mission extrem riskant gewesen. Dass Grey Bull eine Person von derartiger Bekanntheit retten musste, war für Stern eine Premiere. Nach mehreren Stunden erreichte Machado einen geheimen Treffpunkt in internationalem Gewässer. Bryan Stern selbst war an Bord des Übergabeschiffs – und beschreibt diesen Moment als den gefährlichsten der gesamten Mission.
Sobald Machado sicher auf dem Grey-Bull-Boot stand, begann die eigentliche Hauptetappe: eine über 13 Stunden lange Fahrt zu einem ungenannten Zielort in der Karibik, Medienberichten zufolge auf die Karibikinsel Curaçao. Alle an Bord waren durchnässt, erschöpft und angespannt, wie Stern erzählt, doch nun befand sich die Nobelpreisträgerin erstmals außerhalb der Reichweite venezolanischer Behörden. Von der Karibik aus wurde sie schließlich in ein Flugzeug gesetzt, das sie nach Oslo brachte.
Finanziert wurde die Operation von privaten Spendern – "keinen Cent" habe die US-Regierung beigesteuert, so betont Stern. Dennoch habe es eine inoffizielle Koordination mit dem US-Militär gegeben, um die Route abzustimmen und Risiken zu minimieren.
Warum Machado die Nobelpreiszeremonie verpasste? Laut Stern schlicht wegen der Dauer der Operation. "Ihr Leben war wichtiger als jede Deadline." Er nennt sie eine Heldin und rät ihr dringend davon ab, wieder nach Venezuela zurückzukehren. Doch Machado hat bereits angekündigt, dass sie zurück will, sobald es möglich ist.