Es ist eine ungewöhnliche, aber ernst gemeinte Forschungsidee: Atmen aus dem Po – also die Aufnahme von Sauerstoff über den Darm.
Hintergrund sind Studien japanischer Forscher, die zeigen, dass Säugetiere in Extremsituationen Sauerstoff über die Darmschleimhaut aufnehmen können, wenn er in den Enddarm eingebracht wird. Diese Methode heißt enterale Beatmung via Anus (EVA). In Tierversuchen mit Mäusen, Ratten und Schweinen konnte so bei starkem Sauerstoffmangel das Überleben verlängert bzw. die Sauerstoffversorgung verbessert werden – entweder über Sauerstoffgas oder eine stark sauerstoffhaltige Flüssigkeit.
Die Idee von Forscher Takanori Takebe vom Cincinnati Children´s Hospital (USA) gewann sogar einen Ig-Nobelpreis (Das ist ein satirisches Gegenstück zum Nobelpreis), hat aber einen medizinischen Kern: Der Darm ist stark durchblutet und kann unter bestimmten Bedingungen Gase aufnehmen.
Warum das relevant sein könnte: Die Forscher sehen EVA als mögliche Notfall-Option, falls klassische Beatmung schwierig oder nicht verfügbar ist – zum Beispiel bei schweren Lungenerkrankungen oder in Situationen mit knappen Intensivressourcen. "Es gibt zahlreiche Erkrankungen, die lebensbedrohlich werden können, weil sie die Fähigkeit der Lungen beeinträchtigen, Sauerstoff in den Blutkreislauf zu übertragen. Dazu gehören Verletzungen oder Entzündungen der Atemwege, eine Lungenentzündung, die die Lunge mit Flüssigkeit füllt, und vieles mehr. Während der COVID-Pandemie starben viele Patienten auch deshalb, weil es weltweit an Beatmungsgeräten mangelte."
Das Prinzip der sogenannten "Po-Atmung" beruht darauf, eine Flüssigkeit – ein Perfluorocarbon – zu verabreichen, die erheblich mehr Sauerstoff speichern kann als gewöhnliches Wasser. Über einen Rektalschlauch eingebracht, nimmt der untere Darm den gelösten Sauerstoff auf und gibt ihn direkt ins Blut weiter, vergleichbar mit einem Einlauf.
Tierversuche mit Mäusen und Schweinen zeigten, dass solche Einläufe mit stark sauerstoffhaltiger Flüssigkeit den Tieren halfen, Zeiten mit sehr wenig Sauerstoff zu überstehen. Bei Schweinen führte eine Dosis von 400 Millilitern dazu, dass der Sauerstoffgehalt im Blut für etwa 19 Minuten anstieg.
Die Forscher haben jetzt geprüft, wie sicher "Po-Atmung" beim Menschen ist. In Japan bekamen 27 gesunde männliche Freiwillige eine Portion des nicht sauerstoffhaltigen Perfluordecalins über den After verabreicht und sollten die Flüssigkeit eine Stunde lang im Körper behalten. Die niedrigste Dosis lag bei 25 Millilitern, die höchste bei 1,5 Litern – das ist zugleich die Obergrenze, die als Kontrastmittel bei Röntgenuntersuchungen des Magen-Darm-Trakts erlaubt ist.
In der Gruppe mit 1,5 Litern brachen vier von sechs Männern den Versuch frühzeitig ab, weil sie Bauchschmerzen bekamen. Teilnehmer, die bis zu 1 Liter erhielten, vertrugen die Flüssigkeit dagegen überwiegend gut; am ehesten traten Blähungen und leichte Bauchbeschwerden auf, wie Takebes Team berichtet.
Es braucht noch weitere Studien, um das "Verabreichungssystem" zu testen und weiterzuentwickeln – vor allem für Patientinnen und Patienten in verschiedenen Krankheitslagen. Dabei muss geklärt werden, wie viel Sauerstoff auf diesem Weg verlässlich aufgenommen werden kann, wie lange eine solche Versorgung funktioniert und ob dabei unerwartete Risiken oder Nebenwirkungen auftreten.
Wichtig zu beachten: Das ist keine Methode für den Alltag und nicht zum selber ausprobieren. Bisher gibt es vor allem Tierdaten; ob und wie das beim Menschen sicher funktioniert, muss erst in klinischen Studien geklärt werden.