Statt dem traditionell zugespitzten Duell zweier Spitzenkandidaten war bei der jüngsten Wien-Wahl am Sonntag fast alles klar – die SPÖ verteidigte ihren Spitzenplatz, doch die FPÖ legte nach einem extremen Absturz vor fünf Jahren nun wieder massiv zu. War der Ausgang der Wahl keine Überraschung, sind es die Motive der Wählerinnen und Wähler aber doch, denn sie sind brisant und deuten auf ein langfristiges Problem für die Wiener Roten hin. So geriet die SPÖ deutlich in die Defensive, die FPÖ dagegen konnte mit Inhalten und Volksnähe punkten.
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Das zeigt die Wahltagsbefragung von Puls 24, ATV und der Peter Hajek Public Opinion Strategies GmbH mit 1.200 Befragten (Telefon / Online) mit einer maximalen Schwankungsbreite von +/- 2,8%. Doch der Reihe nach: In den jüngsten sieben Tagen haben nur neun Prozent der Wähler kurzfristig entschieden, wen sie am Sonntag wählen werden. Während bei den NEOS-Wähler sogar 15 Prozent bis zuletzt unsicher waren, entschied sich nur einer von 100 FPÖ-Wählern, den Freiheitlichen seine Stimme zu geben. Bei der SPÖ waren es elf von 100.
"Grundsätzlich lässt sich sagen, dass in den Wahlmotiven die Kampagnen der Parteien gut abgebildet werden", so Meinungsforscher Hajek. "Die SPÖ konnte sich in diesem Wahlkampf nicht neu erfinden, nachdem der erwartete Kontrahent Kanzler Kickl ausgefallen ist. Dementsprechend sind die Wahlmotive von klassischen Stammwählerthemen geprägt, ein Indiz für einen defensiven Wahlkampf", heißt es. "Die NEOS-Wähler haben die Motivlage eine Regierungspartei. Man ist zufrieden und möchte weitermachen."
Zum Problem für die SPÖ könnte laut Hajek die FPÖ werden, denn nicht nur hätten Blau_Wähler im Gegensatz zu Rot-Wählern "klar konturierte Motive", auch bespielte man "traditionell die Themen Migration und Sicherheit" und "neu sind diesmal ein Denkzettel für die SPÖ und die Volksnähe der Blauen, was der SPÖ zu denken geben sollte. Noch immer spielt das Thema Corona eine wichtige Rolle für die FPÖ-Wählerschaft". Am anderen Ende des politischen Spektrums: "Die KPÖ-Wählerschaft lässt sich unter sozialem, linkem Protest subsumieren."
"Auch die Grün-Wähler haben eine sehr klare Motivlage. Neben dem grünen Klassiker Klimaschutz sind es die Verhinderung des Lobautunnels und der Einsatz gegen Rassismus und für Menschenrechte", so der Meinungsforscher. Und letztlich gibt es auch ein bitteres Wahlmotiv-Zeugnis für die Wiener Volkspartei: "Die Motivlage der ÖVP-Wählerschaft ist ein Indikator für die Überalterung der Partei. Immerhin wird an fünfter Stelle das Thema Sicherheit genannt." Nichtwähler "haben simpel gesagt wenig Interesse", so der Meinungsforscher Hajek.
War es bei vielen vergangenen Wahlen anders, spielten dieses Mal übrigens wieder die Spitzenkandidaten eine gewichtige Rolle. "Wie erwartet war Michael Ludwig für fast jeden zweiten SPÖ-Wähler ein sehr wichtiges Wahlmotiv, bei den blauen Wählern war Dominik Nepp für jeden Dritten ein ausschlaggebender Grund", so Hajek. "Die anderen Kandidaten/innen spielten eine untergeordnete Rolle in ihrer Wählergruppe. Bettina Emmerling hatte es nach dem Wechsel von Christoph Wiederkehr in den Bund naturgemäß am schwersten."
Geht man in die Details, wurde die SPÖ vor allem für gute Arbeit für Wien und die Lebensqualität in der Bundeshauptstadt (30 Prozent), gefolgt vom Parteiprogramm (20 %), soziale Gerechtigkeit (18 %), aus Tradition (15 %) und dem Spitzenkandidaten Michael Ludwig (11 %) gewählt. Bei der FPÖ war Zuwanderung und der Status der Heimatpartei (34 %) das Hauptmotiv, gefolgt vom Parteiprogramm (23 %), Sicherheit und Kriminalität (21 %), der SPÖ einen "Denkzettel zu verpassen" (17 %) und die Volksnähe (15 %) ausschlaggebend.
Bemerkenswert: Bei den übrigen Parteien dominierte jeweils ein einzelnes Thema weit stärker als bei den Roten und Blauen. So wurden die Grünen zu 55 % wegen Klimaschutz und Nachhaltigkeit, die Schwarzen zu 36 % wegen des Parteiprogrammes, die Pinken zu 43 % ebenfalls wegen des Parteiprogrammes und der Zusammenschluss aus KPÖ Wien und Links zu 39 Prozent ebenso wegen des Parteiprogramms und "linker Politik" gewählt. "Keine Zeit" war mit 21 % der genannte Hauptgrund der Nichtwähler.