Die "Heute"-Analyse

Standards, Spielzeit: Das macht Ried besser als Rapid

Platz sechs als Aufsteiger, starke Defensive, Standardstärke und eine Spielidee: Warum die Innviertler stabiler auftreten als die Wiener Vereine.
Georg Steinschnack
18.12.2025, 08:29
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Drei Siege in Serie, Platz sechs als Aufsteiger – und damit vorm SK Rapid, der aktuell nur Rang sieben belegt. Zuletzt setzte es ein ebenso klares wie reifes 3:0 im eigenen Stadion gegen Altach, denen die Innviertler von der ersten Minute an den Zahn zogen. 26 Punkte aus 17 Spielen sind somit die beste Saisonbilanz seit der Saison 2011/12 unter Paul Gludovatz. Bei der SV Ried läuft es – keine Frage. Doch die Ergebnisse sind kein Zufallsprodukt. Warum der Aufsteiger so stabil und effizient auftritt, zeigt der "Heute"-Check der Innviertler:

Körperlichkeit als Trumpf

Mit lediglich 21,8 zugelassenen Expected Goals stellen die Innviertler die beste Defensive der Liga – und das nicht ohne Grund. Ried verteidigt kompromisslos, körperlich und in klaren Strukturen. Das Herzstück bildet eine erfahrene Dreierkette mit Nikki Havenaar (30), Oliver Steurer (30) und Michael Sollbauer (35), die kaum Unruhe zulässt. Havenaar sticht dabei besonders hervor: 162 gewonnene Zweikämpfe – Ligabestwert – unterstreichen die Dominanz des Japaners.

Doch die baumlangen Verteidiger sind nicht nur gegen den Ball ein Faktor. Auch bei Standardsituationen sorgt Ried regelmäßig für Gefahr. Scharf getretene Ecken und weit in den Strafraum geschleuderte Einwürfe, die häufig von Sechser Yussuf Maart ausgeführt werden, sind ein zentrales Mittel im Offensivspiel. Zwölf der bisherigen 23 Tore fielen nach ruhenden Bällen – ebenfalls Bestwert der Liga. Auf der Gegenseite kassierte Ried nur vier Gegentreffer nach Standards. Für Trainer Maximilian Senft ist das kein Nebenaspekt, sondern Teil der Spielidee: "Standardsituationen zählen zu unseren großen Waffen, die wir auf den Platz bringen wollen."

Der konsequente Fokus auf Physis, Zweikämpfe und Standards prägt den Charakter der Rieder Spiele. Mit einer Nettospielzeit von nur 46:19 Minuten wird in Ried nämlich weniger Fußball gespielt als an jedem anderen Bundesliga-Standort. Altach-Trainer Fabio Ingolitsch sprach vor dem Duell im Innviertel nicht ohne Grund vom "wahrscheinlich ekelhaftesten Spiel des ganzen Jahres". Senft wertete das als Kompliment – das Ergebnis ist bekannt.

Stärke am Transfermarkt

Dass den „Wikingern” der Übergang in die Bundesliga deutlich besser gelingt als zuletzt dem GAK oder Blau-Weiß Linz, die als Aufsteiger erst spät im Herbst ihre ersten Erfolgserlebnisse sammelten, hängt auch mit der eigenen Transferpolitik zusammen. Das stabile, eingespielte Gerüst aus der zweiten Liga wurde von Sport-Geschäftsführer Wolfgang Fiala gezielt und ohne Aktionismus ergänzt.

Sinnbildlich dafür stehen die Sommertransfers von Kingstone Mutandwa und Nicolas Bajlicz. Der Sambier ist mit acht Treffern aus 15 Einsätzen der beste Torschütze der Rieder. Zudem bewies Mutandwa mehrfach starke Nerven: Sowohl gegen Blau-Weiß Linz als auch gegen den WAC erzielte er in der Nachspielzeit den Siegtreffer. Die Leihe des 22-Jährigen läuft im Sommer aus. Das Ziehen der vertraglich fixierten Kaufoption von rund 700.000 Euro scheint angesichts seiner Leistungen und der klaren Identifikation mit dem Klub – auch in den sozialen Netzwerken – nur noch Formsache zu sein.

Ebenfalls zentral für den Aufschwung ist Nicolas Bajlicz. Ende August für eine geringe Ablöse aus Hütteldorf gekommen, wo man ihm keine Chance in der Bundesliga gab, entwickelte sich der U21-Teamspieler rasch zum Stammspieler. Rapid besitzt zwar eine Rückkaufoption, sportlich ist Bajlicz in Ried aber längst angekommen. Anfangs noch hinter Mark Grosse eingeordnet, überholte er den Steirer und ist inzwischen aus dem Ballbesitzspiel der Innviertler kaum mehr wegzudenken. Gerade gegen Altach wurde sichtbar, wie der Wiener das Spieltempo bestimmte und der Mannschaft Struktur gab.

Für Grosse, der vor einem halben Jahr noch als bester Spieler der zweiten Liga geehrt wurde, ist die Entwicklung bitter: Zuletzt kam er kaum noch zum Zug und fehlte zwischenzeitlich sogar im Kader – offiziell aufgrund schwacher Trainingsleistungen. Ein Wechsel im Winter ist inzwischen nicht mehr ausgeschlossen.

Fokus auf die Kernidee

All das wird von Trainer Maximilian Senft zusammengehalten, der im Innviertel konsequent eine klare „Kernidee” einfordert. Im Oktober erklärte er gegenüber "bundesliga.at": "Die Kernidee ist, dass wir mit dem Ball eine Struktur kreieren wollen, in die jeder Spieler seine großen Stärken einbringen kann. Dazu gehören laufintensives Pressing – wir sind nicht umsonst die Mannschaft mit den meisten Sprintkilometern der Liga – sowie Standards."

Diese Aussagen decken sich mit den nackten Zahlen. Ried steht in der Bundesliga für den direktesten Fußball aller Teams: wenig Ballzirkulation, dafür schnelles vertikales Spiel, konsequentes Umschalten und vor allem Umschalten mit Tempo. Der Aufsteiger verzichtet bewusst auf lange Ballbesitzphasen und sucht stattdessen früh den Weg in die Tiefe.

Gleichzeitig gelang es Senft im Herbst, mehrere Spieler auf das nächste Leistungsniveau zu heben. Flügelflitzer Antonio van Wyk bringt mit seiner Geschwindigkeit inzwischen konstant Unruhe, während Eigenbauspieler Fabian Rossdorfer den Sprung von der Zweiten Liga in die Bundesliga erstaunlich reibungslos meisterte. Beide agieren im Vergleich zur Vorsaison deutlich reifer, zielstrebiger und taktisch gefestigter.

Zukunft im Blick

Doch wie soll es für die Innviertler weitergehen? Entscheidend wird sein, das Führungsduo um Trainer Maximilian Senft und Sport-Geschäftsführer Wolfgang Fiala zu halten, das den Verein in den vergangenen beiden Jahren nachhaltig entwickelt hat. Senft bestätigte nach dem Heimsieg gegen Altach, dass es im Herbst Interesse anderer Klubs gegeben habe. Ein Abgang sei damit jedoch nicht automatisch verbunden: "Ich bin froh über das, was wir bei Ried erreicht haben, und freue mich sehr darauf, weitere Schritte mit dieser Mannschaft zu gehen."

Auch Fiala arbeitete sich mit seiner treffsicheren Transferpolitik ins Blickfeld anderer Vereine. Sportlich dürfen sich die Rieder jedenfalls auf ein hochspannendes Frühjahr einstellen. Bereits am 31. Jänner wartet im eigenen Stadion das ÖFB-Cup-Viertelfinale gegen Rapid Wien. Es folgen die Auswärtspartie bei Sturm Graz und das Derby gegen den LASK.

Spätestens dann wird klar sein, wohin die Reise im Innviertel tatsächlich führt. Langweilig dürfte es bei der SV Ried in den kommenden Wochen jedenfalls nicht werden.

{title && {title} } gst, {title && {title} } Akt. 18.12.2025, 11:24, 18.12.2025, 08:29
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