Indonesien ist in den vergangenen Tagen von gewaltsamen Ausschreitungen erschüttert worden. Mindestens vier Menschen starben. Für Staatschef Prabowo Subianto sind die Unruhen die größte Herausforderung seit seinem Amtsantritt vor zehn Monaten. Ein Überblick über Ursachen und Folgen des Konflikts in der größten Volkswirtschaft Südostasiens:
Vergangenen Montag versammelten sich Hunderte Menschen vor dem Parlament in Jakarta, um ihrem Ärger über übermäßige Zulagen für die Abgeordneten Luft zu machen. Die Parlamentsmitglieder bekamen unter anderem eine Wohnzulage zugesprochen, die fast zehn Mal so hoch ist wie der Mindestlohn in der indonesischen Hauptstadt.
Am Donnerstag versammelten sich erneut Hunderte Menschen, um bis in die Nacht hinein gegen niedrige Löhne zu demonstrieren. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Menge vor.
Im Zuge der Proteste überfuhr ein Kleinbus der paramilitärischen Einheit Brimob den 21-jährigen Motorrad-Taxifahrer Affan Kurniawan. Aufnahmen des tödlichen Vorfalls verbreiteten sich im Internet, die Wut auf Regierung und Sicherheitskräfte nahm zu.
Nach Affans gewaltsamem Tod breitete sich der Protest auf andere Städte des Landes aus. Vor dem Brimob-Hauptquartier in Jakarta demonstrierten Tausende Motorrad-Taxifahrer. Einige Demonstranten warfen Feuerwerkskörper, Molotow-Cocktails und Steine, andere legten Feuer. Auch aus Städten wie Yogyakarta, Bandung, Solo und Semarang auf der Insel Java sowie Medan auf Sumatra wurden Proteste gemeldet.
In Makassar, der größten Stadt auf der östlichen Insel Sulawesi, wurden am Freitagabend mindestens drei Menschen getötet und vier weitere verletzt, als Demonstranten ein Behördengebäude in Brand steckten.
Bereits im Februar hatten Tausende Menschen gegen Präsident Prabowo demonstriert. Anlass waren umfangreiche Sparmaßnahmen. Der Staatschef nahm die Kürzungen nach eigenen Angaben vor, um populäre Programme wie kostenlose Mahlzeiten für Schulkinder und Schwangere zu finanzieren.
Experten zufolge konnte dies aber nicht die Unzufriedenheit vieler Indonesier über die Wirtschaftslage verringern. Es gebe "Probleme mit ungerechten Steuern, der sinkenden Kaufkraft der Menschen und dem Mangel an Arbeitsmöglichkeiten", sagt der Leiter des Center of Economic and Law Studies (Celios) in Jakarta, Bhima Yudhistira Adhinegara.
Nach Angaben des Arbeitsministeriums wurden in Indonesien im ersten Halbjahr 2025 mehr als 42.000 Menschen entlassen – ein Anstieg um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Fahrdienstleister wie Affan mussten mehr Abgaben zahlen und länger arbeiten.
Laut Bhima eskalierte die Lage, weil die Abgeordneten in Indonesiens Parlament offenbar kein Verständnis für die Nöte einfacher Leute hatten. "Die Probleme türmten sich auf wie trockenes Heu und das Parlament entzündete das Feuer", analysiert der Experte. "Das ist nur die Spitze des Eisbergs."
Die Proteste sind die größte Herausforderung für den Präsidenten seit seinem Amtsantritt im Oktober. Experten sind der Ansicht, dass der frühere General nun handeln muss, um die Wut der Bevölkerung zu dämpfen. "Wenn ich der Präsident wäre, würde ich den Chef der Nationalen Polizei seines Amtes entheben", sagt Made Supriatma, Experte für den indonesischen Staatsapparat am Iseas-Yusof Ishak Institute in Singapur. "Die Leute brauchen eine symbolische Geste von ihm."
Prabowo und der nationale Polizeichef haben versprochen, Affans Tod zu untersuchen. Sieben Brimob-Mitglieder wurden wegen Verstoßes gegen den geltenden Verhaltenskodex festgenommen.
Nach Mades Einschätzung muss der Staatschef auch Entscheidungen wie die kostenlosen Mahlzeiten für Teile der Bevölkerung oder den neuen milliardenschweren Staatsfonds Danantara auf den Prüfstand stellen. "Er muss den Kurs ändern und er sollte auch sein Kabinett auf den Prüfstand stellen", meint der Experte.
Da in der Bevölkerung immer noch Wut herrscht, sind weitere Proteste absehbar. Am Samstag versammelten sich Hunderte Menschen vor dem Hauptquartier der Polizei in Ost-Java in Surabaya, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP von dort berichtete. Auch auf der Ferieninsel Bali wurde demonstriert.
Einige Motorradtaxi-Fahrer haben angekündigt, ihre Proteste bald wieder aufzunehmen. Im Internet wurden Aufrufe für Protestkundgebungen vor dem Parlament in Jakarta veröffentlicht, bei denen die Auflösung der Volksvertretung gefordert werden soll. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass die Proteste weitergingen, sagt Experte Made.
Die Videoplattform Tiktok teilte mit, wegen der "Eskalation der Gewalt" in Indonesien schalte sie dort für einige Tage ihre Funktion für Live-Übertragungen ab.