Die globale Durchschnittstemperatur steigt seit Jahrzehnten - doch ausgerechnet im Nordatlantik wird es kälter. Schuld daran ist der sogenannte "Cold Blob" südlich von Grönland, ein riesiges Kältegebiet im Meer. Für Forscher ist das ein Alarmsignal: Die Atlantische Umwälzströmung (AMOC) verliert offenbar an Kraft.
Diese gigantische Meeresströmung transportiert warmes Wasser aus den Tropen nach Norden und kaltes Wasser in die Tiefe und zurück nach Süden. Ohne diesen Wärmetransport wäre es in Europa deutlich frostiger. Und genau das könnte passieren.
"Das Worst-Case-Szenario ist, dass der Kipp-Punkt schon in weniger als 100 Jahren erreicht wird", warnt der niederländische Klimaphysiker Dr. René van Westen im Interview mit der "Bild". Seine internationale Studie zeigt: Ein vollständiger Zusammenbruch der AMOC könnte Europa nicht nur auskühlen - sondern richtig einfrieren.
Van Westen nennt zwei Hauptursachen für die gefährliche Entwicklung: "Mehr Süßwasser durch Regen und schmelzendes Eis stört die Zirkulation. Und steigende Temperaturen sorgen dafür, dass warmes Wasser nicht mehr absinkt." Schon in den nächsten Jahrzehnten könnte es bei uns daher kälter werden - trotz globaler Erwärmung.
Die Folgen für Europa wären enorm: Winter mit bis zu 10 Grad weniger als üblich, kühle Frühjahre und Herbste. In Norwegen wären sogar Temperaturstürze um 20 Grad möglich. Gleichzeitig würde es auf der Südhalbkugel noch heißer, weil der Wärmeaustausch gestört ist. Dürre, Überschwemmungen und extreme Wetterereignisse würden weltweit zunehmen.
Ein sicherer Kollaps sei zwar nicht fix, so der Forscher. "Aber je mehr sich die Erde erwärmt, desto instabiler wird die AMOC." Nur eine deutliche Senkung der Emissionen könne den drohenden Kipp-Punkt noch verhindern. Fakt ist: Kippt die Strömung, könnte aus dem Klimawandel in Europa ein echter Kälteschock werden.