Vor zwei Wochen sorgt ein Vorfall mitten in der City für Aufsehen: Eine 64-jährige Frau steht mit einem selbstgebastelten Haken an einem Altkleidercontainer, zieht Stück für Stück heraus. Die Polizei erwischt sie auf frischer Tat, stellt sechs Säcke mit 35 Kleidungsstücken, einen Rucksack samt Eislaufschuhen sowie mehrere Regenschirme sicher.
Für viele Wiener ist das nur die Spitze des Eisbergs. "Jedes Mal das gleiche Bild: Container offen, alles rausgerissen, der Gehsteig voller Gewand. Es schaut hier aus wie am Flohmarkt – nur schlimmer!", ärgert sich ein Anrainer aus Margareten. Der gesamte Inhalt des Containers am Rand des Rudolf-Sallinger-Parks ist wieder einmal am Gehsteig gelandet. Nach solchen Plünderungen bleibt der Rest oft einfach liegen – und verwandelt die Straße in eine stinkende Textilhalde.
Unser Leserfoto zeigt es deutlich: Aus der Containerklappe hängen Jeans, Pullover und Hemden, daneben ein Haufen loser Kleidung. "Wenn’s windig ist, fliegen die Sachen bis zur Kreuzung. Und wenn’s regnet, stinkt es nach nassem Stoff. Das kann doch keiner wollen!", schimpft eine Passantin.
Was als wohltätige Geste gedacht ist, endet in vielen Grätzeln als Ärgernis. Zwischen Glas- und Restmüllcontainern türmen sich Klamotten, aufgerissene Sackerl und durchnässte Schuhe. Für Anrainer ist das längst kein Einzelfall, sondern ein Dauerproblem.
Hinter den Metallboxen steckt ein großer Sammel- und Verwertungsmarkt. Organisationen wie Humana, Öpula, Caritas, Rotes Kreuz oder Texaid nehmen jährlich tausende Tonnen gebrauchter Kleidung entgegen. Ein Teil davon wird direkt an Bedürftige weitergegeben, vieles jedoch sortiert und für Second-Hand-Shops aufbereitet oder in Ballen ins Ausland verkauft.
Kritiker warnen seit Jahren: Minderwertige Textilien werden in Länder des Globalen Südens verschifft, wo sie oft ungenutzt auf riesigen Müllhalden landen. Die lokale Textilindustrie leidet, die Umwelt ebenso – während in Europa am Altkleiderhandel verdient wird.
Offiziell fließen die Erlöse in soziale Projekte, doch der tatsächliche Anteil sorgt immer wieder für Diskussionen. Millionenumsätze treffen auf kostenlose Nutzung öffentlicher Flächen.
Die Wiener Grünen fordern daher ein städtisch kontrolliertes System. "Der öffentliche Raum ist Gemeingut, keine billige Infrastruktur für gewinnorientierte Unternehmen", so Umweltsprecherin Tina Wirnsberger.
Bis sich etwas ändert, bleibt die Situation angespannt: Plünderungen, überquellende Container und wachsende Frustration. Für viele hat der Kleidercontainer längst seinen Glanz als Symbol der Solidarität verloren.
"Ich geb’ nichts mehr hinein, bevor sich da was ändert", sagt ein Bewohner in Margareten, die täglich am Chaos vor ihrem Haustor vorbeigeht. Ihre Worte fassen zusammen, was viele denken: Aus dem guten Willen ist ein dreckiges Geschäft geworden – und das mitten auf Wiens Straßen.