Eine Abfuhr vom Obersten Gerichtshof (OGH) erhielt nun eine Wienerin, wie die Tageszeitung "Die Presse" berichtet: Sie hatte auf ein Pflegevermächtnis ihrer Mutter geklagt – eine Art Extra-Erbe für Personen, die einen nahe stehenden Verwandten in den letzten drei Jahren vor dessen Tod mindestens sechs Monate lang unentgeltlich gepflegt haben. Doch laut dem OGH reicht ein tägliches Telefonat dafür nicht aus, heißt es in der "Presse".
Die Mutter erlitt 2005 einen Schlaganfall, konnte aber danach in ihrer Döblinger Wohnung alleine leben. Die Tochter organisierte ihr "Essen auf Rädern" und sonstige mobile Hilfsdienste für den Einkauf, das Kochen und Aufräumen sowie Arztbesuche.
2015 hatte die alte Dame eine Knie-OP, die Tochter brachte sie daher in einem Pflegeheim unter. Während des Heimaufenthalts kümmerte sie sich um die Betreuung durch eine Psychologin, traf sämtliche ärztliche Entscheidungen für ihre Mutter und war Ansprechperson gegenüber der Heimleitung sowie dem Pflegedienst. Auch Friseurbesuche meldete sie an.
Etwa einmal im Monat besuchte die Klägerin auch ihre Mutter, sie sei ein "schwieriger Mensch" gewesen. Einmal wollte sie ihre Medikamente nicht nehmen. Ein anderes Mal "passten" ihr die Pfleger nicht, war ihr das Zimmer zu dunkel oder ihr zu langweilig. Deshalb rief sie ihre Tochter täglich an. Dabei handelte es sich meist um längere Telefonate, in denen die Tochter ihr immer "gut zureden" musste.
Im Jahr 2021 verstarb die Mutter. Gesetzlich erbberechtigt waren zu gleichen Teilen die Tochter, ein Sohn und ein Enkel. Doch die Tochter hatte von der Mutter Schenkungen erhalten, die das Erbe verringerten – der Enkel verlangte auch seinen zustehenden Pflichtanteil.
Doch die Tochter fand offenbar, dass sie nichts hergeben müsse, weil sie die Mutter gepflegt habe und verlangte außerdem noch ein Extra-Erbe, das Pflegevermächtnis. Sie gab an, von 2007 bis 2015 im Ausmaß von durchschnittlich 39 Stunden pro Monat Pflegeleistungen erbracht zu haben. Nach der Heimunterbringung habe sich der Aufwand auf monatlich 28 Stunden reduziert.
Doch die Frau scheiterte sowohl am Bezirksgericht Döbling, als auch am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen: Beide Instanzen fanden, dass ihr das Pflegevermächtnis nicht zusteht. Denn sei in den letzten drei Jahren vom Heimpersonal gepflegt worden. Ein tägliches Telefonat und monatliche Besuche seien nicht ausreichend.
Die Tochter wandte sich daher an den OGH – und blitzte auch dort ab. Zwar können Leistungen, die (nur) das psychische Wohlergehen des Gepflegten fördern, unter den Pflegebegriff fallen – allerdings nur, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die der Betroffene nicht mehr allein ausüben kann.
"Spaziergänge oder Vorlesetätigkeit könnten daher beispielsweise dann als (psychische) Pflegeleistung gewertet werden, wenn der Gepflegte dazu aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit nicht mehr selbständig in der Lage ist. Diese Anforderungen erfüllen die Telefonate und Besuche der Beklagten nicht", begründete der OGH seine Entscheidung.
Die Organisationstätigkeiten der Tochter für die im Heim lebende Mutter – Einkäufe, Post- und Bankwege, Beschaffung von Kleidung, Heimbesuche, Begleitung zu Arztterminen, Koordination/Besprechungen mit dem Pflegeteam, psychische Betreuung – erkannte der OGH an – aber nur im Ausmaß von 13 Stunden im Monat. Für ein Pflegevermächtnis sind jedoch mehr als 20 Stunden nötig. Die Tochter erhält daher kein Extra-Erbe und muss ihrem Neffen den Erbanteil auszahlen.