Ermittlungen eingestellt

Nach Missbrauch – "Justiz hat mich im Stich gelassen"

Lara M. (20) wurde laut eigenen Angaben von ihrem Cousin sexuell missbraucht. Doch die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein.
Christine Ziechert
11.09.2025, 05:30
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Lara M. (20) erhebt schwere Vorwürfe gegen ihren Cousin Philipp T. (alle Namen geändert): Der 28-Jährige soll Lara heuer am 2. Februar sexuell missbraucht haben. Die Wienerin zeigte ihn an, Polizisten stellten Kleidung und Bettwäsche sicher. Zudem wurden in einem Krankenhaus Abstriche von der 20-Jährigen genommen. Doch die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen aufgrund der "Beweislage im Zweifel" ein.

Die Wienerin kann bis heute nicht fassen, was am 2. Februar passiert ist: "Ich war mit Freunden in einem Club feiern. Auch Philipp war dabei – er lebt nicht in Wien und war zu Besuch. Wir haben gefeiert und Alkohol getrunken. Philipp hatte vorher schon Schnaps getrunken, im Club hatte er dann noch ein paar Gläser Whiskey-Cola", erinnert sich die 20-Jährige. Auch Drogen soll der 28-Jährige im Club mehrfach konsumiert haben.

"Kenne ihn mein ganzes Leben lang"

Gegen 5.30 Uhr verließ die Gruppe den Club: "Philipp hat mich dann gefragt, ob er bei mir schlafen kann. Für mich war das kein Problem. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang. Wir sind die ersten fünf Jahre sogar zusammen aufgewachsen", meint die Büroangestellte.

Obwohl Lara M. eine ausziehbare Couch im Wohnzimmer hat, legte sich der 28-Jährige gegen 7 Uhr zur ihr ins Bett: "Ich bin seitlich gelegen und dann eingenickt. Plötzlich hat er mir mit einer Hand fest auf den Hintern gegrapscht. Ich habe ihn gefragt, was er da macht, und er hat nichts geantwortet. Dann hat es sich angehört, als würde er sich auf den Kopf schlagen und zu sich selbst sagen: 'Was passiert hier gerade? Das ist nicht normal.'"

„Ich bin von den Schmerzen aufgewacht. Ich konnte nicht reagieren, nichts sagen, mich nicht wehren“
Lara M.wurde sexuell missbraucht

Da die 20-Jährige hundemüde war, schlief sie schließlich trotz des Vorfalls ein. Gegen 11 Uhr erwachte sie jedoch plötzlich: "Ich bin von den Schmerzen aufgewacht. Er lag seitlich hinter mir und war in mir. Ich konnte nicht reagieren, nichts sagen, mich nicht wehren – ich war wie in einer Schockstarre. Ich hatte auch Angst, dass er mich vielleicht schlägt, wenn ich etwas mache. In dem Moment hab' ich nur gedacht, dass es vorbeigehen soll."

Nach dem Übergriff rief Lara eine Freundin an: "Ich habe am Telefon schon geweint. Ich habe mich dann angezogen und bin einfach aus der Wohnung gegangen." Obwohl die Wienerin aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses zu Philipp Angst hatte, rieten ihr Freunde und Familienmitglieder zu einer Anzeige und zu einer Untersuchung im Krankenhaus.

Forensische Untersuchung im Spital

Noch am selben Tag suchte Lara daher die Klinik Landstraße auf. Dort wurde ein sogenanntes "Sex-Kit" durch das ärztliche Personal angelegt und dem Forensischen DNA-Zentrallabor übermittelt: "Ich wurde dort gründlich untersucht, sie haben Abstriche gemacht. Die Ärzte meinten, dass sie äußerlich keine Verletzungen festgestellt haben."

Am nächsten Tag erstattete Lara Anzeige bei der Polizei: "Ich habe dann zwei Tage später eine ausführliche Zeugenaussage gemacht. Die Beamten sind in meine Wohnung, haben Fotos gemacht und mein T-Shirt, meine Pyjamahose und die Bettwäsche gesichert. Die Unterwäsche hatte ich leider schon gewaschen."

Ermittlungen wurden eingestellt

Anschließend war Warten angesagt. Im Mai erhielt Lara schließlich einen Brief von der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person (§ 205 StGB) wurden eingestellt: "Philipp hat angegeben, dass das Ganze einvernehmlich war. Aufgrund fehlender Beweise haben sie daher die Ermittlungen eingestellt. Ich fühle mich von der Justiz im Stich gelassen", versteht Lara die Welt nicht mehr. Der 28-Jährige soll sich zudem gleich nach dem Übergriff ins Ausland abgesetzt haben, sein Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Im Mai wurde Lara M. über die Einstellung der Ermittlungen informiert.
Getty Imagesl, zVg

Die 20-Jährige wandte sich an Anwalt Christoph Naske, er stellte einen Fortführungsantrag. Doch auch dieser wurde von der Staatsanwaltschaft abgelehnt: "Die Ablehnung ist besonders enttäuschend, da wir etliche Zeugen benannt haben, welchen meine Mandantin kurz nach der Tat davon erzählt hat. Diese Zeugen hätten die Aussagen des Opfers plausibilisieren können", meint Naske auf "Heute"-Anfrage.

„Der Verdächtige hat sich nicht einmal selbst einer Einvernahme gestellt“
Christoph Naskevertritt Lara M.

Zudem seien Spuren nicht vollständig ausgewertet worden, die ebenfalls zu einer erhöhten Glaubhaftigkeit der belastenden Angaben führen hätten können: "Demgegenüber wurde der leugnenden Verantwortung des Verdächtigen, der sich nicht einmal selbst einer Einvernahme gestellt hat, sondern lediglich eine Stellungnahme über seinen Verteidiger einbringen hat lassen, eine viel zu große Bedeutung eingeräumt", kritisiert der Anwalt.

Für Lara M. ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft völlig unverständlich, sie wandte sich daher an "Heute": "Ich will meine Geschichte erzählen, um andere zu informieren und auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen. Dieser Übergriff hatte gravierende Auswirkungen auf mein Leben", erklärt die 20-Jährige, die sich nun in psychologischer Betreuung befindet.

{title && {title} } cz, {title && {title} } 11.09.2025, 05:30
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