Vietnam

"Wir schwammen ums Leben" – Flut zerstört Existenzen

In Nha Trang verloren Daniel und Kurt fast alles. Die Jahrhundertflut kam in wenigen Stunden – und riss ihr Zuhause und ihre Bar mit sich.
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02.12.2025, 15:11
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Daniel Kauer (61) sah zu, wie Kühlschränke und Möbel an ihm vorbeischwimmen. Kurt Fischli (66) kämpfte sich mit seinen Hunden in einen kleinen Tankraum hoch über dem Boden. Beide Schweizer leben seit Jahren in der vietnamesischen Küstenstadt Nha Trang, die kürzlich von einer Jahrhundertflut heimgesucht wurde. Sie erzählen, wie sie der Flut entkamen – und dass sie nun vor dem Nichts stehen.

Daniel: "Klammerten uns schwimmend an Toren fest"

Als das Wasser zum zweiten Mal zu steigen begann, dachte Daniel zunächst an ein normales Hochwasser. "Wir rechneten vielleicht mit etwas mehr Wasser als zwei Tage zuvor", sagt der 61-Jährige. "Aber nicht damit, dass wir ums Überleben schwimmen müssen." Daniel war mit seiner Frau Trân, seinem Sohn Oli, dessen Freundin und den beiden Hündinnen in der "Kilo Bar", ihrem Zuhause und Geschäft zugleich. Zunächst stellten sie Möbel und Geräte höher – vergeblich. "Das Wasser stieg wie in einer Badewanne. Wir standen bald bis zu den Hüften darin."

Dann entschieden sie sich zur Flucht. Schwimmend verließen sie das Gelände, klammerten sich an Toren fest, damit sie die Strömung nicht wegzog. In einer Plastikkiste: Pässe und Handys. In einer Styroporbox: Hund Hola. Die zweite Hündin blieb verschwunden – tauchte später aber unversehrt wieder auf.

Bei Nachbarn fanden sie auf dem zweiten Stockwerk Unterschlupf. Am Morgen stand das Wasser in ihrem Haus bis knapp unters Dach. Erst am nächsten Tag konnten Daniel und Oli ein Boot organisieren, das ihre Familienmitglieder und Nachbarn rettete. "Wir kamen pitschnass, unterkühlt und erschöpft im Hotel an – aber wir lebten."

Zerstörtes Geschäft, ungewisse Zukunft

Die Flut hat die Bar, die Destillerie und ihr komplettes Hab und Gut zerstört: Computer, Instrumente, Lebensmittel, Möbel, Geräte. "Ob ein Teil unserer Destillate noch brauchbar ist, wissen wir nicht. Ein Fass Rum mit hundert Litern ist ausgelaufen."

Noch immer bedeckt Schlamm das Gelände. Tagelang gab es kein Leitungswasser. "Wir hängen in der Luft. Wie eine dunkle Wolke der Ungewissheit", sagt Daniel.

Kurt (66): "Hatten keinen Halt mehr unter den Füßen"

Auch Kurt Fischli (66) erlebte den Moment, als alles kippte. "Am frühen Abend merkte ich, dass das Wasser unser Haus erreicht hatte", sagt er. Der Strom war bereits ausgefallen, innerhalb von Minuten stand der Hof knöcheltief unter Wasser. "Noch bevor wir richtig reagieren konnten, begannen die Kühlschränke zu schwimmen."

Innerhalb von zwei Stunden stieg das Wasser auf einen Meter. Der Versuch, ins nahegelegene Studio zu flüchten, scheiterte an der Strömung. "Wir hatten keinen Halt mehr mit den Füßen." Am Ende retteten sich Kurt, seine Partnerin und die zwei Hunde über eine Leiter in einen kleinen Tankraum hoch über dem Boden. "Wir hatten dort vielleicht anderthalb Quadratmeter. Geschockt, aber trocken."

Am Morgen war das Wasser weg – der Schaden aber enorm: zerstörte Böden, kaputte Werkstatt, ein verwüsteter Garten. "Wir arbeiten seit fast zwei Wochen alleine", sagt Fischli. Der Schaden bewegt sich nach seiner Schätzung auf rund 6000 Franken.

Schweizer Hilfsgruppe als Rettungsanker

Für beide ist die spontan gegründete Schweizer Community entscheidend. "Sie gibt uns das Gefühl, nicht allein zu sein", sagt Kurt. Und Daniel ergänzt: "Viele der hier lebenden Schweizer sind durch diese Katastrophe enger zusammengerückt." In einer befreundeten Bar wird am Mittwoch ein Benefizkonzert stattfinden, mit Musikerinnen und Musikern aus verschiedenen Ländern. "Das berührt uns – aber es reicht bei Weitem nicht, um wieder aufzubauen".

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