Eigentlich wollte der britische Reise-Blogger Harry auf seinem Youtube-Kanal "We hate the Cold" nur den Abschluss seiner monatelangen Mopedreise von Thailand nach Nepal dokumentieren. Stattdessen wurde er am 9. September 2025 Zeuge der ersten Gen-Z-Revolution der Welt.
Harry erreichte die nepalesische Hauptstadt Kathmandu am zweiten Tag der Proteste, die durch ein Verbot von 26 sozialen Medien (von Facebook über Whatsapp bis Youtube praktische alle, außer das chinesische TikTok) ausgelöst wurden. Das brachte das ohnehin bereits volle Fass aus angestautem Frust über massenhafte Jugendarbeitslosigkeit und eine korrupte Elite, deren Kinder auf Instagram mit unermesslichem Reichtum prahlen, endgültig zum überlaufen.
Nachdem am ersten Tag 19 Menschen von der völlig überforderten Polizei erschossen wurden, darunter auch ganz junge Teenager, gerieten die Proteste am zweiten Tag komplett außer Kontrolle. Doch anstatt sich schnell ins sichere Hotel zurückzuziehen entschied sich Harry dazu, den Massen an überwiegend jungen Männern zu folgen und die Proteste zu filmen. Das Video des bis dahin kaum bekannten Vloggers zählt mittlerweile fast 30 Millionen Views:
Was dann geschah, konnte er selber genau so wenig glauben wie die meisten der am Protest beteiligten. Denn völlig überraschend zog sich die Polizei nach anfänglichem Widerstand – immer wieder waren in seinem Video auch Schüsse zu höre, das Tränengas brannte im Hals und in den Augen – weitgehend aus dem Stadtzentrum zurück. Das Resultat: Das ungeschützte Parlamentsgebäude wurde gestürmt.
Und mitten drin: Youtuber Harry, der furchtlos der Menge folgte und die angesichts der Zerstörungen unglaubliche Jubelstimmung der Menschen einfing. Dabei richtete sich die Zerstörungswut ausschließlich gegen Regierungs- und Verwaltungsgebäude, Gerichte und die Polizei. Plünderungen von Geschäften, wie es sonst eine häufige Begleiterscheinung von Massenprotesten und Aufständen ist, gab es keine. Allerdings wurden mehrere Wohnsitze von Regierungsmitgliedern geplündert und verwüstet.
Die Proteste hatten Erfolg. Zuerst traten einzelne Minister, dann der Premier und die gesamte Regierung zurück. Mehrere Minister wurden auf offener Straße von dem Mob attackiert. Die Polizei traute sich nicht mehr auf die Straßen – nachdem bereits 70 Protestierende erschossen wurden.
Das Militär übernahm die Kontrolle der öffentlichen Sicherheit. Dieses verhielt sich gegenüber der Jugendlichen neutral, weshalb es dabei zu keinen Konflikten kam. Schon am nächsten Tag herrschte überall in der Stadt Ruhe. Zwei Tage später waren wieder alle Geschäfte geöffnet und überall herrschte geschäftiges Treiben.
Doch eine Sache hat sich verändert. Als Harry am Tag nach der nepalesischen Gen-Z-Revolution erneut durch die Straßen Kathmandus streifte, wurde er plötzlich an jeder Ecke erkannt. Leute stürmten grinsend auf ihn zu und baten ihn um ein Selfie. Sie imitierten seine Laufbewegungen aus dem Video und lachten, wie seine seither in Kathmandu entstandenen Videos auf seinem Kanal zeigen.
Sie sind froh, dass er mit seinem Video die tausenden Gesichter der ersten Gen-Z-Revolution der Welt eingefangen hat und somit ein realistisches, unverzerrtes Bild der wahren Ereignisse des Tages wiedergibt. Es war kein blutrünstiger Mob, der blindwütig alles zerstörte. Es war ein authentischer Massenaufstand einer perspektivlosen Jugend, die plötzlich wieder Zukunftshoffnung verspürt. Eine junge Fraue sagte zu ihm: "Solange du hier bist, geht es uns gut".
Dass er als Ausländer, noch dazu aus dem Westen, die unglaublichen Momente nicht nur in kurzen TikTok-Clips sondern als ausführliche Reportage auf Youtube festhielt, machte ihn in Nepal zum Star. Sein Video aus dem 30-Millionen-Einwohner-Land kletterte binnen weniger Tage auf 28 Millionen Views. Statt 80.000 hat er nun 640.000 Abonnenten auf Youtube.
Mittlerweile befindet sich das Land wieder in geordneten Bahnen. Als Übergangs-Regierungschefin wählten die Protestierenden die pensionierte Höchstrichterin Sushila Karki (73).
Die Wahl wurde von der Protestgruppe "Hami Nepal" auf Discord organisiert, wie die New York Times berichtete. Karki wird das Land nun 6 Monate lang übergangsmäßig regieren. Im März soll es Wahlen geben. Harry versprach seinen vielen neuen Fans, das Land bald wieder zu besuchen.
