Gemeindebauten werden verkauft

33 leere Wohnungen – "Hoffen auf Chance durch Verkauf"

Im Gemeinderat wurde der Weg frei gemacht, um 75 % der 2.192 Gemeindewohnungen zu verkaufen. Für betroffene Mieter soll sich nichts ändern.
Erich Wessely
08.10.2025, 14:04
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Für einige Mieter ist der Wechsel vom Gemeindebau zu einem neuen Eigentümer auch eine zutiefst emotionale Geschichte – das wissen auch die politischen Verantwortlichen in Wr. Neustadt.

Daher wurde der Prozess auch über Monate vorbereitet, Gespräche vorbereitet, Gemeindebauten geprüft, die in jedem Fall im Besitz der Stadt bleiben sollen.

Doch nun ist es fix: Die Statutarstadt Wr. Neustadt ordnet ihren kommunalen Wohnbau komplett neu – Hintergrund sind ein jährlicher Abgang von 4 Mio. Euro und ein Konvolut an Darlehen in Höhe von geschätzt 54 Mio. Euro, die 2034 zurückzuzahlen sind.

Schließlich doch Mehrheit gefunden

Die Causa drohte auch zur Zerreißprobe für die bunte Stadtregierung zu werden, in einer geheimen Abstimmung Dienstagabend stimmte schließlich doch eine knappe Mehrheit (21 zu 17) der Gemeinderäte für den Verkauf von Gemeindebauten: 610 der 2.192 Wohnungen will die Stadt behalten, der Großteil soll also verkauft werden.

In den nächsten 18 Monaten werden private Interessenten dafür gesucht. Man nehme die politische Verantwortung wahr und ermögliche "eine Verbesserung des kommunalen Wohnbaus", betonte Bürgermeister Klaus Schneeberger (VP).

Von den 2.192 Stadtwohnungen stehen 22 Prozent leer. Hannes Winkler, Sprecher der Robert-Stolz-Bauten, die auch veräußert werden sollen, sagt: "Der Großteil der Leute akzeptiert das. Wir haben 33 leere Wohnungen, es ist auch die Chance da, dass die bei einem Verkauf hergerichtet werden. Wir hoffen, dass auch die Stadt in der Übergangsphase etwas macht. Alleine im Nebenblock von mir ist ein ganzer Stock frei."

Von den rund 30 leerstehenden Wohnungen könnten derzeit nur "sieben oder acht überhaupt bezogen werden", der Rest sei sanierungsbedürftig. "Wenn die Wohnungen saniert und Mieter eingezogen sind, würden sich die Betriebskosten natürlich auch auf mehr Parteien aufteilen", so Winkler.

Natürlich mache er auch Wahrnehmungen von Sorgen, dass die Kosten ansteigen könnten: "Das soll, soweit ich gehört habe, aber nicht passieren."

Robert-Solz-Wohnhausanlage in Wr. Neustadt steht auch zum Verkauf.
Hannes Winkler/privat

Zurück zur politischen Ebene, der Bürgermeister führt in einem ersten Statement drei Punkte aus, warum der Schritt des Verkaufs der Gemeindebauten unumgänglich seien: "Investitionen in den Gemeindebau aus dem Stadtbudget sind aufgrund der wirtschaftlichen Lage derzeit nur eingeschränkt möglich. Darüber hinaus verhindern hohe Belastungen aus Darlehen eine positive Weiterentwicklung. Und drittens gibt es eine massive Belastung des IFP Immobilien Freizeit Parken-Wiener Neustadt Stadt-Budgets durch geringere Mieteinnahmen aufgrund Leerständen. Diese drei Eckpfeiler sind es, die eine zukunftsorientierte Neuordnung des kommunalen Wohnbaus notwendig machen."

Das müssen Mieter beachten

"Die Mietverträge der Mieterinnen und Mieter in Objekten mit neuen Eigentümern bleiben unverändert aufrecht. Die diesbezüglichen Rechte sind durch das österreichische Mietrechtsgesetz geschützt, das auf alle Wohnungen anwendbar ist. Somit bleiben auch die Mietzinse ganz klar gesetzlich geregelt. Darüber hinaus entstehen durch den Eigentümerwechsel zusätzlich Möglichkeiten, dass in den kommenden Jahren Sanierungen, Modernisierungen und Weiterentwicklungen vorgenommen werden", heißt es seitens der Stadt.

Umfassende Kommunikationsmaßnahmen

Der komplette Prozess der Neuordnung des kommunalen Wohnbaus in Wiener Neustadt werde "umfassend kommunikativ begleitet". Folgende Kommunikations- und Informationsmaßnahmen sind geplant bzw. bereits in Umsetzung:

Briefe an alle Mieterinnen und Mieter

Kostenlose Hotline unter +43 2622 373-868 (ab 9. Oktober, Montag bis Freitag, 8 bis 18 Uhr)

E-Mail an [email protected]

FAQ-Bereich auf www.wiener-neustadt.at/gemeindewohnungen2025

Und weiter: "Wir haben jetzt die Chance, diese Konsolidierung aktiv zu gestalten. Unser Ziel ist es, eine solide Auswahl an Mieteinheiten im Eigentum der Stadt zu behalten und in eine gute Zukunft zu führen. Für den Rest des derzeitigen Portfolios suchen wir in den nächsten Monaten im Rahmen eines transparenten Prozesses geeignete Interessenten."

In den letzten Jahren standen der IFP pro Jahr nur rund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung, um in die Sanierung des Immobilienbestands zu investieren. Dadurch konnten in den letzten zehn Jahren im Schnitt lediglich etwa 80 Wohnungen pro Jahr modernisiert werden, heißt es seitens der Stadt in einer Mitteilung.

Jährlicher Abgang von vier Millionen Euro

Die Gemeindewohnungen wurden im Jahr 2006 an die IFP ausgegliedert. In den letzten drei Jahren verursachten die Gemeindewohnungen einen jährlichen Abgang von rund vier Millionen Euro pro Jahr. Auch bei einem Verkauf bleiben die Mietverträge unverändert aufrecht, wird seitens der Stadt betont – hier greife das österreichische Mietrechtsgesetz.

Folgende Objekte will die Stadt in ihrem Besitz behalten: Posthof (Wiener Straße, Domgasse, Domplatz), Neunkirchner Straße 65a+b+c, Pernerstorfer Hof, Promenade 1 (Europahaus), Nestroystraße 2,4,6 und komplette Schelmersiedlung und den Dr. Karl Renner-Hof.

Spenger: "Wir haben das nicht mitgetragen"

Auf Facebook meldete sich Wr. Neustadts SP-Chef Rainer Spenger zum geplanten Verkauf wie folgt zu Wort: "Wir als SPÖ-Fraktion haben das nicht mitgetragen und mit NEIN gestimmt!
Weil wir aber wissen, dass die Wohnbedingungen im Gemeindebau teilweise sehr schlecht sind und akuter Handlungsbedarf besteht, haben wir schon im Vorfeld der gestrigen Sitzung einen 5-Punkte-Plan als Alternative auf den Tisch gelegt, der Win-win-Situationen für alle geschaffen hätte. Leider konnten wir uns damit bei den Verhandlungen innerhalb der Stadtregierung nicht durchsetzen."

Und weiter: "Das gestrige Votum erstaunt uns jedenfalls, weil wir anhand medialer Wortmeldungen und Ankündigungen der einzelnen Fraktionen einen anderen Ausgang vermutet hätten. Dennoch nehmen wir diese Willensäußerung des Stadtparlaments als Demokraten zur Kenntnis, werden uns weiter konstruktiv einbringen, unsere Kontrollfunktion wahrnehmen und wie schon in der Vergangenheit als erster Ansprechpartner für die Gemeindemieter:innen zur Verfügung stehen. Sie haben unseren Respekt verdient, wir sind ihnen verpflichtet und müssen ihre Interessen wahren!"

Grüne orten ein "abgekartetes Spiel"

"Es ist natürlich ein Leichtes für SPÖ und FPÖ, sich hinter einer geheimen Abstimmung zu verstecken", so Selina Prünster, Stadträtin der Grünen. "Wir Grünen hätten keine geheime Abstimmung gebraucht. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel."

Den Beweis erbringe das Rathaus selbst. "Denn auf der Homepage der Stadt wurden nur wenige Minuten nach der Abstimmung mehrere Seiten mit allen Details zum Verkauf veröffentlicht. Eindeutig auch das hinterlegte Datum: 6.10., also schon einen ganzen Tag vor der Gemeinderatssitzung! Besonders dramatisch ist allerdings, dass dies nur auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft ausgetragen wird. Über 1600 Wohnungen werden nun privatisiert und die Menschen, die dort wohnen, vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist an sozialer Verantwortungslosigkeit nicht zu toppen. Wir werden natürlich unterstützen, wo immer wir können und zu Mieterschutzvereinigungen Kontakt aufbauen, damit die MieterInnen nicht ganz alleine dastehen", heißt es seitens der Grünen.

"Die Wiener Neustädter Bevölkerung wird jetzt für die Misswirtschaft und die Fehler der Stadtpolitik bestraft", kritisiert indes Fabian Storch von der KPÖ Wiener Neustadt. Die KPÖ spricht sich weiterhin klar gegen den Verkauf der Gemeindewohnungen aus und werde weiter Unterschriften für einen Initiativantrag an den Gemeinderat sammeln. "Die Resonanz war bisher sehr positiv, viele Bürgerinnen und Bürger in Wiener Neustadt unterstützen unser Anliegen", so KPÖ-Landessprecher Max Zirngast.

FPÖ kann "Beweisfotos" von Abstimmung vorlegen

Seitens der FPÖ heißt es in einem Statement zum dann doch überraschenden Beschluss in der Gemeinderatssitzung: "Im gestrigen Gemeinderat wurde ein Beschluss gefasst, der den großflächigen Verkauf von Gemeindewohnungen ermöglicht. Eins vorweg: Die FPÖ-Fraktion hat diesem Beschluss geschlossen nicht zugestimmt und kann dies auch belegen! Da wir geahnt haben, dass es im Nachhinein keiner gewesen sein will, wurden Vorkehrungen getroffen, um unser Stimmverhalten auch tatsächlich belegen zu können! Jeder einzelne FPÖ-Gemeinderat hat dazu von seiner Nein-Stimme ein Foto gemacht und somit sein "Nein" auch nachweislich dokumentiert. Ein großflächiger Abverkauf ist für uns nicht der richtige Weg, weswegen wir diesen Antrag auch abgelehnt haben."

NEOS stimmten zu: "Wirtschaftliche Notwendigkeit"

Die NEOS Wiener Neustadt haben "dem notwendigen Beschluss" für den Verkauf der Gemeindewohnungen hingegen zugestimmt. NEOS-Gemeinderat Bernhard Lutzer dazu: "Der Verkauf ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Eine Sanierung aus dem Stadtbudget wäre nicht möglich gewesen". Das knappe Ergebnis bei der Abstimmung sei für die NEOS auch ein Zeichen, dass es mit der Harmonie in der bunten Stadtregierung vorbei ist: "Wenn bei so einem wichtigen Beschluss nur eine denkbar knappe Mehrheit möglich ist, wird es vermutlich in Zukunft schwierig, weitere wichtige Beschlüsse in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu fassen. Und das alles nicht mal ein Jahr nach der Gemeinderatswahl."

{title && {title} } wes, {title && {title} } Akt. 08.10.2025, 17:14, 08.10.2025, 14:04
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