Der Linzer Schwurgerichtssaal wird derzeit auch als Bühne für das Schauspiel 'Eichmann vor Gericht' genutzt – Scheinwerfer und überhängte Requisiten hingen noch am Montag im Raum. Doch am Vormittag gehörte die Bühne keinem Schauspiel-Ensemble, sondern einem echten Angeklagten.
Der 44-jährige Nordmazedonier saß auffällig entspannt da: gestreiftes Hemd, gelassene Haltung, kein Anzeichen von Nervosität. Dabei wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, einen Mann aus nächster Nähe mit Pistole in den Hals geschossen zu haben.
Der Fall schlug seit Jänner hohe Wellen: Augenzeugen berichteten von einem heftigen Streit, sahen, wie das Opfer (39) blutverschmiert aus dem Auto taumelte. Der Angeklagte soll den 39-Jährigen zuvor per Whatsapp zum Treffpunkt gelockt haben.
"Das ist leider keine Fiktion, sondern ein reales Geschehen", betonte die Staatsanwältin und legte die Beweise vor, die gegen den Beschuldigten belasten: Eine Patronenhülse mit DNA-Treffer, dazu mehrere Zeugenaussagen.
Für Staunen im Saal sorgte ein kurioses Detail: Ein Bekenner-Mail direkt an die Staatsanwaltschaft. Darin stand wörtlich: "Ich bin dieser Mann, der geschossen hat auf den Hu**ohn." Das war auch für die Behörde bizarr: "Ist denn der wahnsinnig, ein Geständnis an die Staatsanwaltschaft zu schicken?"
Die Antwort: Der Angeklagte war sauer. In dem Mail habe er sich darüber aufgeregt, dass das Opfer – selbst kein Unschuldslamm – von der Behörde nicht strenger kontrolliert wurde, bzw. dessen Machenschaften nicht aufgedeckt wurden.
In dem Schreiben finden sich laut der Staatsanwältin auch folgende Worte: "Ich wollte ihn töten." Und genau hier wird es für die Geschworenen interessant. Den Schuss leugnet der 44-Jährige, für den die Unschuldsvermutung gilt, nämlich nicht: "Ich bin schuldig, aber nicht so, wie Sie denken", erklärte er am Vormittag.
Laut dem Angeklagten sei der Tat eine Erpressung durch das Opfer vorausgegangen. Der 39-Jährige habe ihm Droh-Nachrichten geschickt: "Er hat er gesagt, dass er die Adresse von meinem Sohn hat." Der Tschetschene habe Schutzgeld von ihm gefordert. Beim Treffen habe der 39-Jährige dann ein großes Messer gezückt und den Angeklagten bedroht.
Im Fall einer Verurteilung droht dem Angeklagten eine lange Haftstrafe: konkret zehn bis 20 Jahre oder sogar lebenslang. Sollten die Geschworenen entscheiden, dass es sich nicht um einen Mordversuch, sondern "nur" absichtlich schwere Körperverletzung handelt, würde der Strafrahmen auf maximal zehn Jahre sinken.
Am Montagnachmittag wurde der Prozess vertagt, weil noch ein Zeuge geladen werden soll. Weitergehen soll es am 31. Oktober.