Arzt mit Hilfeschrei

Bein amputiert, weil Patientin zu spät CT-Termin bekam

Allgemeinmediziner Michael Kühnel betreibt seit fast drei Jahren eine Ordination mit Kassenvertrag in Bad Erlach. Nun legt er den Finger in die Wunde.
Erich Wessely
07.07.2025, 05:30
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Sein Facebook-Beitrag "Dies ist ein Hilferuf" wurde schon über 1.000 Mal geteilt: Der renommierte praktische Arzt Dr. Michael Kühnel hatte sich vor knapp drei Jahren entschlossen, einen Kassenvertrag anzunehmen "und mich mit meiner Frau, die Krankenschwester ist, um PatientInnen in Bad Erlach zu kümmern".

Doch der Gesundheitsexperte verzweifelt zusehends: "FachärztInnen fehlen draußen wie auch im Krankenhaus." Er zählt Beispiele auf, die nahe gehen: So würde eine Patientin mit einer schweren Depression erst im November einen Facharzttermin bekommen. "Meiner Patientin wurde der Unterschenkel amputiert, weil sie laut Krankenhaus eine CT (Computertomografie, Anm.) im niedergelassenen Bereich machen sollte, was dann leider zu spät war."

"Werden nicht mehr weiter betreut"

Und: "Patientinnen mit Zustand nach Brustkrebs werden mangels FachärztInnen im Krankenhaus nicht mehr weiter betreut und sollen sich jemanden suchen."

Millionen würden in Primärversorgungszentren (PVZ) gepumpt werden: "Diese sind richtig und gut. In Bad Erlach mit 3.300 Einwohnern finden wir ja nicht einmal einen 2. Arzt bzw. Ärztin. Da reden wir gar nicht von 3 und einem PVZ. Die kleinen Orte werden vergessen, Österreich besteht überwiegend aus ländlichen Gebieten. Hier (wie seit 1.7.) ist es für ältere Personen ein Wahnsinn, wenn Sie für den Transport zum Facharzt oder ins Krankenhaus in größere Städte knapp 16 Euro pro Fahrt zahlen müssen."

Kühnel legt die Finger in die Wunde: Das Arbeiten, wie man es sich beim Bergdoktor oder Grey's Anatomy vorstellt, sei nicht idyllisch. "Wir arbeiten täglich am Limit, ärgern uns herum, weil wir Medikamente, die Patienten seit Jahren nehmen, noch immer chefärztlich bewilligen lassen müssen und beim 20. Mal begründen, warum er jetzt den Blutverdünner bekommt. Wir telefonieren mit Krankenhäusern und versuchen Patienten, die wir untersuchen, diagnostizieren und die im Krankenhaus zum Teil unverständlich abgelehnt werden, doch noch irgendwo unterzubringen."

"Kommen uns gemobbt vor"

Es gehe nicht darum, einen Schuldigen zu suchen, sondern darum, Lösungen zu finden. Gefragt sei die Politik: "Wir bilden ÄrztInnen aus, die dann ins Ausland gehen oder unter diesen Bedingungen keinen Kassenvertrag wollen." Wer Beiträge der ÖGK der letzten Monate verfolge, "versteht vielleicht, dass wir AllgemeinmedizinerInnen uns gemobbt vorkommen".

Ähnliche Probleme gebe es beim Pflegepersonal: Überarbeitet, frustriert, auch nach Corona weiterhin unterbezahlt. Kühnel klagt an: "Das System krankt. Es ist ein jeder gegen jeden." Es fehle an Personal, Material und vor allem Respekt. Die da oben sollten mal "die Eier haben", "uns zu unterstützen". Er will dennoch weiterkämpfen: "Denn wenn ich nicht mehr da bin, weil es mir reicht, stehen 3.300 Einwohner ohne Kassenarzt da."

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