US-Präsident Donald Trump hat seine aggressive Zollpolitik fortgesetzt: Das Weiße Haus hat eine neue Zolltarifliste veröffentlicht, deren Zölle am 7. August in Kraft treten. Trump wirft weiter selbst seinen engen Handelspartnern vor, die USA bisher mit ihrer Zollpolitik "geplündert und vergewaltigt" zu haben. Am 5. April trat für Handelspartner weltweit ein "Mindestzoll" in Höhe von 10 Prozent in Kraft. Jetzt kommen höhere Zusatzzölle dazu, die auch die Europäische Union mit 15 Prozent und vor allem die Schweiz mit 39 Prozent hart treffen.
Weiters schweben Drohungen Trumps über der EU. "Die EU hat uns 600 Milliarden Dollar zugesichert, damit wir damit machen können, was wir wollen." Das sagte Trump gegenüber "CNBC" und warnte, dass er, falls das Geld nicht komme, "die Zölle auf 35 Prozent anheben" werde. "Der einzige Grund, warum ich sie auf 15 Prozent gesenkt habe, war dieser", betonte der Präsident. Die EU hatte Trump zugesichert, bis zum Ende seiner Amtszeit US-Energie im Wert von 750Milliarden Dollar kaufen zu wollen.
Neben den 750 Milliarden Dollar für US-Energie sagte die EU, dass in den kommenden Jahren weitere 600MilliardenDollar in den USA investiert werden sollen. Dabei bezieht sich die Kommission auf Interessenbekundungen von Unternehmen. Auch das ist Teil der Grundsatzvereinbarung. Eine Kommissionsbeamtin stellte klar, dass dies Sache von Privatunternehmen sei, die Kommission als öffentliche Behörde könne dies nicht garantieren. Ob das nun noch höhere Trump-Zölle auslösen könnte, ist unklar.
Was die Zoll-Schläge für die EU und Österreich bedeuten, schätzte der Ökonom Christian Keuschnigg am späten Mittwochabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf ein. Habe er eine These, warum Trump gegen die Schweiz einen Zoll von 39 Prozent verhänge, wenn urprücnglich zehn Prozent angedacht gewesen seien? "Das ist schwer zu verstehen", so Keuschnigg. Die Handelsbilanzüberschüsse seien zwar groß, die Dienstleistungsdefizite aber auch, weswegen es keinen so großen Unterschied gebe, wie Trump gerne angebe.
Das wäre so, als ob man den Tourimus bei der Berechnung der Leistungsbilanz Österreichs einfach herausnehmen würde, so der Wirtschafts-Experte. Auch, wie man auf die 39 Prozent Zoll komme, erschließe sich Keuschnigg nicht, klar sei aber, dass der Zoll "diskriminierend" sei und "gegen alle Grundsätze des freien Handels widerspricht". Ein dauerhafter 39-Prozent-Zoll gegen die Schweiz sei eine "böse Überraschung", so der Ökonom, die Unternehmen seien je nach Beteiligung am US-Markt unterschiedlich stark betroffen.
Weil Trump auch von bis zu 250-prozentigen Zöllen gegen die Pharmaindustrie spreche, sei nicht vorhersehbar, was noch zu erwarten sei. "Ein Zoll von 250 Prozent würde praktisch einen Export in die USA unmöglich machen", sagte Keuschnigg. Die einzige Möglichkeit wäre, dass die Unternehmen Standorte in den USA bauen würden, um den US-Markt direkt zu beliefern. Dass ein EU-Beitritt der Schweiz durch die US-Zölle wahrscheinlicher werde, sah der Ökonom nicht, aber ein Schweizer Abkommen mit der EU werde damit immer wichtiger.
Die Zölle gegen Länder und Branchen überhaupt umzusetzen, bedeute einen gigantischen administrativen Aufwand, so Keuschnigg, entsprechend viele Umgehungsmöglichkeiten gebe es – etwa, das die Schweiz über Liechtenstein die USA beliefere. Der Zoll gegen Liechtenstein beträgt wie gegen die gesamte EU 15 Prozent, die Schweiz wiederum befindet sich in einer Zollunion mit Liechtenstein. Das kömmte "ein kleines Schlupfloch" sein, könne aber "das Grundproblem überhaupt nicht lösen, sondern vielleicht eine kleine Spur lindern".
Und was habe es mit den 600 Milliarden auf sich, die Trump von der EU als versprochen wähnt. Das könnte bedeuten, dass es nicht beim jetzigen Deal bleibe und dass man nicht auf Absprachen vertrauen könne, so der Ökonom. Zu dem Schaden der hohen Zölle komme eine Unplanbarkeit für Unternehmen. "15 Prozent sind verkraftbar, wenn man sich darauf verlassen kann", so der Ökonom, Europa habe viele "Trümpfe in der Hand", um "im Handel aggressiver aufzutreten". Bei der Vertetdigung sei man allerdings noch abhängig von den USA.