39 % Strafzölle für Schweiz

Trump unberechenbar! "Eskalationsgefahr ist groß"

Wie soll die Schweiz auf Trumps Zollhammer von 39 Prozent reagieren? Die Experten Reiner Eichenberger und Eric Nussbaumer geben Antwort.
20 Minuten
03.08.2025, 14:12
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39 Prozent Strafzölle auf Importe aus der Schweiz – im Gegensatz zu den EU-Staaten, die nur 15 Prozent erhielten, wurde die Eidgenossenschaft von US-Präsident Donald Trump massiv abgestraft. Am 8. August sollen die Zölle in Kraft treten – noch ein wenig Zeit ist also da, um das Debakel doch noch abzuwenden. Aber wie wahrscheinlich ist das?

Das Schweizer Nachrichtenportal "20 Minuten" fragte bei Wirtschaftsexperte Reiner Eichenberger und SP-Politiker Eric Nussbaumer in zwei unabhängig voneinander geführten Interviews nach. Eichenberger ist Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Fribourg. Nussbaumer sitzt seit 2007 für die SP im Nationalrat, im Dezember 2023 wurde er zu dessen Präsidenten gewählt. Ihre Antworten im Wortlaut:

Gibt es eine Chance, Trump doch noch davon zu überzeugen, die Zölle auszusetzen? Wenn ja, welche Person wäre dazu in der Lage?

Reiner Eichenberger: Das hängt viel mehr von inhaltlichen Argumenten ab als von bestimmten Personen. Solche erträumten "GröKaZ" – also größte Kommunikatoren aller Zeiten – bringen nur etwas, wenn man Trump und seine Mitstreiter inhaltlich überzeugen kann. Da aber völlig unklar ist, worauf Trump mit seiner Strategie hinauswill, ist es auch extrem schwierig, ein vernünftiges Konzept zu entwickeln, das ihn zugleich befriedigt und einfriedet.

Reiner Eichenberger lehrt an der Universität Freiburg.
Universität Freiburg

Eric Nussbaumer: Bei den Strafzöllen handelt es sich um eine historische Katastrophe. Die Schweiz ist mit einer präsidialen Willkür konfrontiert, der man wenig entgegensetzen kann. Unsere Delegation hat ihr Möglichstes getan und eine Absichtserklärung mit den USA unterzeichnet. Dass diese missachtet wurde, ist nicht die Schuld des Verhandlungsteams. Und es ist auch im Rahmen von Diplomatie nicht üblich. Ich bin aber überzeugt, dass unsere Verhandler weiterhin versuchen werden, eine Lösung mit dem US-Präsidenten auszuhandeln – ob dies auch gelingt, stehe auf einem anderen Blatt.

Welche Argumente könnten Trump denn zufriedenstellen?

Eichenberger: Trump sind die Außenhandelsdefizite der USA wichtig und damit der Handelsüberschuss der Schweiz, der relativ zum gesamten Güterhandel, aber auch relativ zur Bevölkerung extrem hoch ist. Die Schweiz könnte ihm also versprechen, alles daranzusetzen, den Handelsüberschuss zum Verschwinden zu bringen.

Dafür gibt es vier Optionen: Erstens, die Schweiz könnte mehr Güter aus den USA importieren. Allerdings gibt es de facto recht wenige Güter, die infrage kämen. Zweitens, die Schweizer Industrie senkt ihre Exporte freiwillig, indem sie höhere Preise verlangt. Eine weitere Option wäre drittens, einen Teil der Wertschöpfung könnte real oder buchhalterisch in die USA verschoben werden, was den USA ein künstliches Wirtschaftswachstum bescheren würde. Und viertens, die Goldexporte in die USA könnten verboten werden, denn sie machen einen Großteil des Handelsdefizits aus. Dann würde das Gold über Drittländer in die USA gelangen.

Angenommen, die Zölle kommen. Sollte die Schweiz mit Sanktionen oder Gegenzöllen reagieren?

Nussbaumer: Von einem Zollkrieg gegen die USA halte ich nichts, denn wir haben es mit einem willkürlichen Präsidenten zu tun. Wenn wir jetzt sanktionieren, könnte das die Eskalationsspirale weiter nach oben treiben. Auch ein Exportstopp, beispielsweise für Medikamente, würde nichts bringen. Ich glaube, man muss stattdessen den zweiten wichtigen Exportmarkt, und zwar den mit der EU, ausbauen. Bei der EU haben wir Rechtssicherheit. Ob wir langfristig auf die USA als Exportpartner setzen können, ist dagegen fraglich.

Eric Nussbaumer möchte eine stärkere wirtschaftliche Bindung an die EU. (Archivbild)
20Min/Matthias Spicher

Eichenberger: Auch ich bin dagegen, hier zwei von vielen Gründen: Wir sollten uns an die Regeln der Welthandelsorganisation halten, hier jenes der Meistbegünstigung. Die Schweiz hat die Industriezölle einseitig abgeschafft. Wenn wir anderen Ländern mit teils hohen eigenen Zöllen Zollfreiheit gewähren, hat die USA trotz hoher eigener Zölle ein Recht auf Zollfreiheit. Außerdem würde so unser Handelsüberschuss anwachsen, und deshalb Trump seine Zölle vermutlich weiter erhöhen. Die Eskalationsgefahr ist deshalb groß.

Was kann die Schweiz sonst tun?

Nussbaumer: Es braucht jetzt innenpolitische, stabilisierende Maßnahmen, und zwar, solange Trump im Amt ist – konkret zum Beispiel die Ausweitung der Kurzarbeit. Diese Situation ist historisch einmalig, denn eigentlich nutzen wir das Instrument der Kurzarbeit, um Konjunkturflauten abzufedern, nicht Strafzölle. Wir brauchen jetzt aber den Mut, davon betroffenen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Es muss unbedingt verhindert werden, dass Arbeitsplätze verloren gehen.

Eichenberger: Wir sollten unsere Exportüberschüsse und die Währungspolitik hinterfragen. Die Exportindustrie erzählt ständig, der Schweizer Franken sei zu stark und sollte durch die Nationalbank geschwächt werden, indem sie Devisen kauft. Diese Strategie nützt einigen Exportfirmen, kostet aber die Bürger zig Milliarden, wenn die Nationalbank auf den Devisenbeständen große Verluste einfährt. Zudem führt diese Strategie zur Aufblähung des Exportsektors und einem starken Zuwanderungssog.

Für die Bürger bleiben dann die hohen Füllungskosten durch das starke Bevölkerungswachstum. Trump hat mit dem Vorwurf der Währungsmanipulation deswegen nicht komplett unrecht. Wir sollten den Schweizer Franken aufwerten und die Wirtschaft ruhig "gesundschrumpfen." Dadurch würde das BIP und die Einwohnerzahl langsamer wachsen, aber das BIP pro Kopf schneller.

{title && {title} } 20 Minuten, {title && {title} } Akt. 03.08.2025, 14:30, 03.08.2025, 14:12
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