Das Oberste Gericht Brasiliens hat Ex-Präsident Jair Bolsonaro wegen eines Putschversuchs zu 27 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Das Gericht in Brasília verkündete das Strafmaß am Donnerstag, kurz nachdem vier von fünf Richtern Bolsonaro in einem historischen Urteil mehrheitlich für schuldig befunden hatten. Die Anwälte Bolsonaros kündigten an, das Urteil anfechten zu wollen.
Es war das erste Mal, dass sich ein ehemaliger Staatschef in Brasilien wegen eines versuchten Staatsstreichs vor Gericht verantworten musste. Bolsonaro steht bereits seit Anfang August wegen Verstößen gegen Auflagen unter Hausarrest und wird wegen Fluchtgefahr überwacht.
Der 70-Jährige wurde unter anderem verurteilt, eine "kriminelle Organisation" mit dem Ziel angeführt zu haben, durch einen Putsch das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2022 zu kippen, die er gegen den linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva verloren hatte.
Neben Bolsonaro standen sieben weitere Angeklagte vor Gericht, darunter frühere Minister und Generäle. Sie wurden ebenfalls verurteilt.
Bolsonaro, der von 2019 bis 2022 Staatschef Brasiliens war, weist alle Vorwürfe zurück und bezeichnet sich als Opfer politischer Verfolgung. Sein ältester Sohn, Flávio Bolsonaro, teilte auf X mit, bei der Verurteilung handle es sich um "oberste Verfolgung". Die Geschichte werde zeigen, dass Bolsonaro auf der richtigen Seite gestanden habe.
US-Präsident Donald Trump erklärte, er sei "sehr unzufrieden" mit dem Urteil. Er habe Bolsonaro stets für "herausragend" gehalten. US-Außenminister Marco Rubio kündigte auf X an, die US-Regierung werde "auf diese Hexenjagd entsprechend reagieren".
Trump scheint sich mit Bolsonaro zu identifizieren. Der US-Präsident wurde 2023 in ähnlicher Weise wegen seiner Bemühungen angeklagt, das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen von 2020 zu kippen. Er bezeichnete dies mehrfach als "Hexenjagd".
Das US-Finanzministerium hatte zuletzt Sanktionen gegen Richter Alexandre de Moraes angekündigt, der in dem Verfahren eine zentrale Rolle spielt. Auch die von Trump verhängten Zölle in Höhe von 50 Prozent auf brasilianische Importe stehen offenbar im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Bolsonaro.
Beobachtern zufolge könnten die USA infolge des Urteils weitere Sanktionen gegen Brasilien verhängen, was die ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen zusätzlich belasten würde.
Brasilien ist stark polarisiert zwischen Anhängern des linken Präsidenten Lula und den Unterstützern seines äußerst rechten Vorgängers Bolsonaro. Viele sehen das Strafverfahren als politisch motiviert, andere als Beweis für die Stärke der Institutionen. Nach Einschätzung von Experten könnten die kommenden Wochen von Protesten geprägt sein.