Am Wiener Landesgericht musste sich heute ein junger tschetschenisch-stämmiger Mann verantworten. Am 17. August 2024 hat dieser Ex-Kanzler Karl Nehammer über die sozialen Medien mit dem Tod bedroht. Er wollte den damaligen Regierungschef "köpfen" und "bestrafen".
"Sie und ebenso die anderen Kanzlern (sic!) werde ich köpfen/bestrafen kommen", schrieb der heute 17-Jährige auf Instagram in gebrochenem Deutsch an Karl Nehammer, verwies dabei außerdem auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), wie der ORF berichtet. Nun musste sich der Jugendliche vor Gericht verantworten, kam jedoch mit einer relativ milden Strafe davon: Sechs Monate bedingte Haft fasste er aus, das Urteil ist bereits rechtskräftig. Davor hatte sich der Jugendliche keine Straftaten zuschulden kommen lassen, entsprechend gering fiel das Urteil des Schöffensenates aus. Dennoch wird ihm einiges vorgeworfen: gefährliche Drohung, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und kriminelle Organisation. Das Urteil nahm der 17-Jährige an, auch der Staatsanwalt hatte keine Einwände.
Wie dem Strafantrag zu entnehmen ist, hatte der damals 16‑Jährige ein klares Ziel: Er wollte den damaligen Regierungschef in Angst versetzen. Auf seinem Instagram‑Account schrieb er dann die Nachricht an Nehammer: Der Account sei "schon im IS‑System eingetragen" und es gebe nun "kein Zurück mehr". Der IS‑Treueschwur solle ihm zum Sieg verhelfen, er wolle Nehammer "beseitigen, wenn nicht jetzt, dann ein anderes Mal".
Der Angeklagte erklärte zu seiner Tat: "Das war dumm von mir. Es war komplett aus Wut." Als Anlass für die Tat schilderte der Junge einen weiteren Vorfall: Anfang August habe die Polizei fälschlicherweise wegen einer Schlägerei nach ihm gefahndet. Er sei jedoch nicht daran beteiligt gewesen. "Sie haben eine Fahndung gegen mich aufgestellt, obwohl ich nur die Rolltreppe hochgefahren bin", sagte der Junge im Gerichtssaal. Aufgrund des Fahndungsfotos sei er nach der Arbeit von der Polizei abgeholt und zu einer Befragung mitgenommen worden. So nahm die Sache ihren Lauf, denn: "Das hat die Wut in mir ausgelöst, sodass ich diese Nachricht verfasst habe und in diese Richtung gegangen bin."
Was sich dem Richter bis dahin nicht erschlossen hatte: "Was kann Nehammer dafür?" Der Jugendliche schien das selbst nicht zu wissen: "Er kann gar nichts dafür. Ich war doof. Das war dumm ausgedacht. Ich war nicht konzentriert, was ich genau eintippe." Sein einziges Ziel sei gewesen, so brutal wie möglich zu klingen. "Ich wusste nicht, dass überhaupt jemand darauf reagieren würde." Glaubwürdig fand das der Richter nicht: "So naiv kann man gar nicht sein", stellte er fest.
Die Frage, ob er Hilfe benötige und zu einer Deradikalisierung bereit sei, verneinte der Jugendliche: "Derzeit habe ich mich unter Kontrolle." Nach Rücksprache mit seinem Verteidiger änderte der Bursche jedoch seine Meinung. Immer wieder habe der Tschetschene in Instagram‑Storys und -Beiträgen Inhalte gepostet, die den IS verherrlichen; auch radikalislamische Beiträge habe er geteilt. Unter anderem veröffentlichte er eine "Nachricht an die österreichische Regierung sowie an alle anderen Ungläubigen".
Wie der Anwalt hervorhob, habe nicht die religiöse Ideologie des IS seinen Mandanten begeistert, sondern die Gewaltvideos, die ihm durch den Algorithmus immer wieder angezeigt wurden. Nach der vorübergehenden Festnahme wurden mehrere solcher Videos auf seinem Handy gefunden. Sie zeigten unter anderem Hinrichtungen und anderes IS-Propagandamaterial. Aufgrund seines Frusts habe er sich in das Material vergraben und es als Ventil genutzt, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Davon wolle er in Zukunft absehen, gab der Junge an. Stattdessen wolle er nun seine Lehre abschließen und befindet sich derzeit auf einem Internat außerhalb von Wien. Social Media ist vorerst tabu.