Was für Sehende alltäglich ist, war für blinde und sehbehinderte Menschen bislang nahezu unerreichbar: Comics lesen. Mit der neuen Anwendung ComicCast soll sich das ändern.
Die App, entwickelt von Amazon Web Services (AWS), Dentsu Creative und der spanischen Blindenorganisation Once, verwandelt klassische Comicseiten in lebendige Audioerlebnisse. Dabei geht es nicht nur um Barrierefreiheit, sondern um den Zugang zu einer ganzen Kunstform, die Millionen Menschen bisher verwehrt blieb.
ComicCast nutzt laut AWS modernste KI-Technologie, um gedruckte oder digitale Comics in Echtzeit zu vertonen. Das Prinzip ist simpel: Nutzerinnen und Nutzer halten ihr Smartphone über eine Comicseite, und binnen Sekunden beginnt das Hörabenteuer. Jede Figur erhält eine eigene Stimme, Soundeffekte begleiten Geräusche oder Bewegungen, und eine Erzählerstimme beschreibt das visuelle Geschehen – von Gesichtsausdrücken bis hin zu Umgebungsdetails.
Damit wird das visuelle Erzählen, das das Comic-Genre so einzigartig macht, für Menschen mit Sehbehinderung erstmals vollständig erfahrbar. Das Zusammenspiel aus Stimmen, Geräuschen und Beschreibungen ersetzt nicht nur das Lesen, sondern eröffnet ein völlig neues Hörerlebnis.
Technologisch setzt ComicCast auf eine Kombination führender KI-Systeme. Amazon Nova Pro und Anthropics Claude, betrieben über Amazon Bedrock, übernehmen die visuelle Analyse und Kontextverarbeitung. Sie erkennen Figuren, Handlungsabläufe und emotionale Nuancen in den Panels.
Anschließend werden diese Informationen in beschreibende Texte umgewandelt, die die Grundlage für die Audioausgabe bilden. Für die Sprachausgabe arbeitet ComicCast mit ElevenLabs zusammen.
Diese Technologie ermöglicht eine natürlich klingende Sprachsynthese, die jeder Figur eine unverwechselbare Stimme verleiht – mal ruhig und erzählerisch, mal dynamisch und ausdrucksstark. Das Ergebnis ist ein akustisch dichter, filmähnlicher Eindruck, der klassische Comics in eine neue Dimension hebt.
Aktuell befindet sich ComicCast noch in der Prototyp-Phase. Entwickelt wurde die App in Spanien und zunächst für den dortigen Comicmarkt optimiert. Das Team testet das System mit bekannten spanischen Werken, um die Sprachausgabe und Erzählstruktur zu verfeinern.
Langfristig soll die Technologie internationalen Verlagen zur Verfügung gestellt werden – mit dem Ziel, Comics in unterschiedlichen Sprachen und kulturellen Kontexten hörbar zu machen. Das Projekt könnte so zu einem weltweiten Vorbild für barrierefreie Medienproduktion werden.
