Eigentlich wollte die EU, in Person von Migrationskommissar Magnus Brunner, gemeinsam mit den Innenministern Italiens, Griechenlands und Maltas Stärke und Handlungsfähigkeit zeigen. Denn zuletzt nahm die Zahl von Bootsflüchtlingen, die ihre gefährliche Fahrt übers Mittelmeer von Libyen aus starteten, stark zu. Stattdessen geriet die Libyen-Reise zur Farce.
Zunächst lief noch alles nach Plan. In der offiziellen Hauptstadt Tripolis gab es am Montag einen Empfang durch Mitglieder der international anerkannten Regierung rund um Abdulhamid Dbeibah. Die europäischen Gäste nahmen an einem Treffen zur "Eindämmung der illegalen Migration" teil, das jedoch ohne konkrete Ergebnisse abgeschlossen wurde. Die Regierung versprach, verstärkt gegen illegale Migration vorzugehen.
Wie das funktionieren soll, blieb, wie schon so oft zuvor, offen. Nicht zuletzt deswegen, weil die 750 Flüchtlinge, die seit vergangenem Freitag auf Kreta gelandet sind, von Tobruk in Ostlibyen abgelegt hatten. Dort hat die international anerkannte Regierung aus Tripolis jedoch nichts zu sagen. Der Osten wird von General Haftar und einer Gegenregierung kontrolliert, die ihren Sitz in Benghazi hat.
Nach dem Weiterflug nach Benghazi dann der Eklat: Die Europäer bestanden darauf, nur den de-facto-Machthaber, General Khalifa Haftar, zu treffen – und sonst niemanden. Der seit 2014 den Osten beherrschende Haftar bestand jedoch darauf, dass auch Regierungsmitglieder am Treffen teilnehmen dürfen. Für die EU ein No-Go: Sie erkennt nur die Regierung in Tripolis als offizielle Vertreter Libyens an.
"Die Delegationen befanden sich im VIP-Bereich des Flughafens und wollten gerade ein Treffen abhalten, doch Haftar wollte, dass mehrere Minister (und auf jeden Fall der Premierminister und der Außenminister der ostlibyschen Regierung) an dem Treffen teilnehmen", beschreibt das Online-Magazin "politico" die wahren Hintergründe, die ihnen ein Teilnehmer des Treffens geschildert hatte.
"Das konnten der EU-Kommissar und die EU-Regierungen nicht akzeptieren. Brunner hatte lediglich einem Treffen mit Haftar zugestimmt. Es scheint, als sei Haftars Reaktion inszeniert", so der Insider. Der EU-Kommissar und die Delegation mussten daraufhin das Land verlassen. Brunner ging auf den Vorfall nur am Rande ein. Auf Twitter schrieb er: "Das geplante Treffen in Benghazi konnte letztendlich nicht stattfinden".
Hintergrund ist, dass Libyen seit dem Bürgerkrieg ein geteiltes Land ist – und die Europäer in Tripolis eine Übergangsregierung installiert haben, die zwar die reibungslose Abwicklung der Erdölgeschäfte gewährleisten, sonst aber de-facto keine Macht im Land haben. Die international anerkannte Regierung in Tripolis kontrolliert in Wahrheit nur das Regierungsviertel, die Zentralbank und den internationalen Flughafen.
Zur Durchsetzung ihrer "Macht" ist sie auf das Wohlwollen der zahlreichen Milizen angewiesen ist, die das Land untereinander aufgeteilt haben. Ein fragiler Frieden, der laufend neu erkauft werden muss, aber die Entwicklung des Landes zu einem funktionierenden Staat unmöglich macht.
Die Regierung im Osten Libyens versucht jedoch seit Jahren vergeblich, vom Westen zumindest als gleichberechtigter Ansprechpartner wahrgenommen zu werden. Dass Haftar seine militärische Stärke auch auf Kooperationen mit Putins Russland aufgebaut hat, ist dabei allerdings sicher keine Hilfe.