Ein romantisches Abendessen sollte es werden – doch daraus wurde nichts: Hans-Jürgen Groß (50) sitzt im Rollstuhl. Er wollte mit seiner Frau Bianca den Jahrestag feiern. Es sollte so richtig fein werden, der Tisch in einem Drei-Sterne-Restaurant in Wien war reserviert (das Menü kommt hier auf 395 Euro pro Person – ohne Getränke). Doch dann der Schock: Der Zugang zur Toilette war nur über drei Stufen möglich. Keine Rampe, kein Haltegriff – an Barrierefreiheit war nicht zu denken.
"Ich wollte meiner Frau eine besondere Überraschung bereiten. Doch statt eines schönen Abends wurde es ein langes Ringen um ein WC, ohne das niemand auskommt. Trotz aller Bemühungen meinerseits gab es keine zeitgerechte Lösung. Somit wurde aus der geplanten Überraschung eine zur Schau Stellung meiner Behinderung und meine Frau war mittendrin", erzählt Groß.
Das Wiener Ehepaar sagte den Abend ab – und zog mit Unterstützung vom Klagsverband vor Gericht. Groß klagte das Restaurant auf Schadenersatz. Mit Erfolg: Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ab dem Ehepaar recht und sprach 1.000 Euro für Groß und 700 Euro für seine Ehefrau zu.
"Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht – keine Frage der Kulanz. Das Urteil zeigt deutlich, dass Menschen mit Behinderungen einen Anspruch auf gleichwertige Teilhabe haben. Restaurants müssen sicherstellen, dass auch ihre WC-Anlagen barrierefrei zugänglich sind", stellt Theresa Hammer, Geschäftsführerin des Klagsverbands, klar.
Das Gericht urteilte deutlich: Nicht nur der Rollstuhlfahrer selbst wurde diskriminiert – auch seine Ehefrau sei benachteiligt worden, da ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt war. Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision wurde ausgeschlossen.
Unterstützt wurde die Klage durch den Bundesverband für Menschen mit Behinderungen Burgenland. Als dessen Präsident betont Groß: "Barrierefreiheit ist keine Wahlmöglichkeit, sondern eine Verpflichtung für alle seit 2006. Barrierefreiheit darf sich auch nicht auf Angebote von einzelnen Kategorien beschränken. Genauso wie bei Menschen ohne Behinderungen werden unterschiedliche Angebote bevorzugt."
Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, begrüßt das Gerichtsurteil: "Es ist wichtig, dass solche Entscheidungen endlich auch in Österreich getroffen werden. Nur so wird klar, dass fehlende Barrierefreiheit nicht länger als Bagatelle abgetan werden darf. Es reicht nicht, Gleichstellung ins Gesetz zu schreiben – man muss sie auch durchsetzen."
Auf APA-Anfrage teilte das betroffene Restaurant mit, dass es die Bedürfnisse aller Gäste ernst nehme. "Wenngleich wir in der Sache die Position der Kläger nicht teilen, haben wir deshalb bereits direkt nach der Beschwerde – und weit vor dem durch den Kläger forcierten Prozess – die minimalen Adaptierungen veranlasst, um die Barrierefreiheit des Restaurants rechtskonform zu gewährleisten", hieß es in der schriftlichen Stellungnahme.