Mit einem Satz hat Bettina Emmerling (Neos) die politische Sommerpause aufgemischt: "Jedes Kind ist gleich viel wert, kostet aber nicht gleich viel." Was nach nüchterner Logik klingt, sorgt in Wien gerade für politische Empörung. Denn Emmerling meint damit nichts anderes, als dass sie die Sozialhilfe für Familien mit mehreren Kindern kürzen will – "definitiv", wie sie betont.
Der Hintergrund: Die Stadt Wien steckt mitten in den Budgetverhandlungen für 2026. Die Schulden könnten auf über 15 Milliarden Euro anwachsen, Sparpläne stehen überall zur Diskussion. Besonders im Fokus: die sogenannte Mindestsicherung (heute Sozialhilfe genannt). Ein prominentes Beispiel brachte die Debatte ins Rollen – eine syrische Großfamilie soll laut Medienberichten rund 9.000 Euro monatlich an Sozialleistungen bezogen haben.
Emmerling stellt sich nun öffentlich gegen die bisherige Linie ihres Koalitionspartners SPÖ – und geht damit auf Konfrontationskurs. "Ich setze mich definitiv für sinkende Beiträge pro Kind ein, weil es auch um Fairness gegenüber jenen Familien geht, die von ihrem Arbeitseinkommen leben", erklärte sie im Interview mit "profil".
Die neue Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ) versucht, zwischen den Fronten zu lavieren: Reformen ja, aber mit Bedacht. Man dürfe nicht "an der kleinsten Gruppe ansetzen", sagte sie. Großfamilien in der Mindestsicherung seien eine "Randerscheinung". Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hatte sich bereits im Vorjahr scharf gegen Kürzungen geäußert und sprach von "unerträglichem Zynismus", Familien das "abgetragene Gewand" der älteren Kinder zumuten zu wollen.
Mit Emmerlings Vorstoß hat sie vor allem die Wiener Grünen gegen sich aufgebracht. Parteichefin Judith Pühringer fand klare Worte: "Wer jetzt bei den Ärmsten kürzt, kennt keine Skrupel." Besonders bitter sei der Widerspruch zwischen dem Image der Neos als kinderfreundlich und ihrer aktuellen Budgetpolitik.
"Gerade die Neos, die sich Chancengerechtigkeit für Kinder auf die Fahnen schreiben, setzen jetzt den Sparstift bei jenen an, die wir nicht verlieren dürfen", so Pühringer. Die pinke Sozialpolitik sei in der Praxis "nichts anderes als rohe Bürgerlichkeit", kritisierte sie. Und schickte eine Spitze in Richtung Rathaus: "Ich bin gespannt, was Bürgermeister Ludwig dazu sagt."
Während es bei der SPÖ auffällig ruhig bleibt, begrüßt die Opposition Emmerlings Ansage. ÖVP-Klubchef Harald Zierfuß ortet eine späte, aber richtige Einsicht: "Vielleicht haben jetzt auch die Wiener Neos langsam verstanden, dass sie bei diesem ungerechten System nicht länger als Steigbügelhalter der SPÖ dienen dürfen."
Auch die FPÖ meldete sich mit einer klaren Forderung: In der kommenden Landtagssitzung will sie einen Antrag einbringen, mit dem Zahlungen der Mindestsicherung an Nicht-Österreicher gestoppt werden sollen. Man müsse endlich jenen helfen, die "wirklich Anspruch auf Unterstützung haben", so die blaue Linie.
Faktencheck: Ein kompletter Stopp der Zahlungen an Nicht-Österreicher, wie ihn die FPÖ fordert, wäre in der Praxis jedoch schwer umsetzbar. EU-Bürger mit längerem Aufenthalt, Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte haben laut Verfassung und EU-Recht Anspruch auf Sozialhilfe.
Ob es sich bei Emmerlings Aussage um einen einmaligen Vorstoß oder den Beginn einer harten Sparrunde handelt, bleibt offen. Klar ist: Der Druck auf das Budget ist real – aber die Fronten in der Stadtregierung sind es jetzt auch.
Bürgermeister Ludwig hält, sich bisher bedeckt. Doch mit dem heiklen Thema Sozialhilfe könnte ein Koalitionskrach zwischen SPÖ und Neos bereits vorprogrammiert sein.