Seit seiner Rückkehr in den Skizirkus im Vorjahr hat sich Braathen eine Wohnung in Mailand genommen. Sein Hauptwohnsitz bleibt aber Altenmarkt. Im Magazin "The Red Bulletin" erzählt er, warum ihn die italienische Modemetropole so anzieht und wie seine kreative Seite, seine ersten Versuche auf Ski und seine neue Lebenslust zusammenhängen.
Wer Braathen auf der Piste beobachtet, sieht einen Technik-Freak und Perfektionisten, der um jede Hundertstelsekunde kämpft. Doch das ist nur ein kleiner Teil von ihm. Braathen liebt Mode, legt als DJ auf, sammelt Kunst und Möbel. Kein Wunder, dass er sich in Mailand – einer der Welthauptstädte für Mode und Design – pudelwohl fühlt.
Weit weg von Norwegen, wo sein Vater herkommt, und Brasilien, der Heimat seiner Mutter, hat Braathen im Norden Italiens endlich das Gefühl, angekommen zu sein. "Ich war und bin so viel unterwegs in meinem Leben. Jetzt will ich endlich an Orten leben, wo ich mich richtig zuhause fühle." Die Modestadt Mailand war für ihn ein entscheidender Grund für den Umzug: "Ich tue alles dafür, dass die Welt des Wintersports und jene der Mode, der Musik und des Designs näher zusammenkommen."
Braathens Eltern trennten sich, als er noch ein Kleinkind war. Von da an pendelte er zwischen zwei Ländern und Kulturen. Schon mit vier Jahren stellte ihn sein Vater im hohen Norden auf Ski – und Braathen fand das alles andere als lustig. "Ich habe es gehasst und erfand alle möglichen Ausreden, um nicht wieder auf die Piste zu müssen."
In São Paulo dagegen drehte sich alles um den Fußball. Der kleine Lucas war sofort begeistert: "In Brasilien war ich zwar der Gringo, aber auf dem Platz ist es egal, woher man kommt, wie man aussieht oder wie man sich anzieht." Erst mit acht Jahren wagte er einen neuen Versuch mit dem Skifahren – und fand im örtlichen Skiclub gleich Anschluss.
Sein Leben spielte sich fortan zwischen Skipisten und Reisen ab, immer mit neuen Leuten aus verschiedensten Kulturen. "Ich mochte dieses Leben, aber ich war immer auf der Flucht", erklärt er. "Ich bin vor mir selbst weggelaufen. Ich habe versucht, mich in Gruppen zu integrieren und mich anzupassen. Dabei habe ich nicht gemerkt, was mir wirklich wichtig ist."
Schon als Bub war Braathen künstlerisch unterwegs. Er studierte Songs und Choreografien ein und präsentierte sie mehrmals pro Woche seiner Familie. Musikvideos von Michael Jackson oder Queen kennt er heute noch auswendig.
So richtig in die Welt der Kreativen eingetaucht ist er aber erst nach seinem schweren Sturz in Adelboden 2021. Damals legte Corona das öffentliche Leben zusätzlich lahm. "Ich war an einem Tiefpunkt in meinem Leben", erzählt Braathen über diese harten Zeiten vor fast fünf Jahren. Eine Künstlergruppe, die er in Oslo kennengelernt hatte, half ihm damals aus der Krise. "Diese Leute haben mir das Gefühl gegeben: Du hast Talent – lebe es aus!"
Nach einem heftigen Streit mit dem norwegischen Skiverband gab Braathen im Herbst 2023 überraschend seinen Rücktritt bekannt. Genau ein Jahr später feierte er sein Comeback – und startet seither für das Land seiner Mutter.
Mit dem Skisport hat Braathen große Pläne: "Skifahren hat so viel Potenzial", sagt er und verweist auf die Netflix-Serie "Formula 1: Drive to Survive". Der Brasilianer will den Skisport bunter machen und zeigen, wie viele spannende Persönlichkeiten und Geschichten es rund um den Wintersport gibt.