In der Nacht auf Dienstag haben Drohnen die Flughäfen in Kopenhagen und Oslo lahmgelegt. Dänemark spricht von einem Angriff auf kritische Infrastruktur und schließt eine russische Beteiligung nicht aus.
Der Kreml weist den Verdacht zurück, ebenso wie die Vorwürfe zu Luftraumverletzungen in Polen und Estland. Die Nato reagierte am Dienstag mit einer Krisensitzung. Man werde alle Mittel einsetzen, um sich zu verteidigen, hieß es im Anschluss. Russland solle seine "eskalierenden Handlungen" beenden. Die NATO bleibe in ihrer Unterstützung für die Ukraine geeint.
Alexandre Vautravers, Experte für Militärgeschichte und Sicherheitspolitik am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) und Chefredakteur der "Schweizerischen Militärischen Rundschau", sprach mit "20 Minuten" über die aktuellen Entwicklungen".
Derlei Zwischenfälle sehen wir zwar bereits seit Jahren, aber sie haben sich definitiv verschärft, weil sich die Militäroperation der russischen Streitkräfte in der Ukraine zu einem ausgewachsenen Krieg ausgeweitet hat. Mittlerweile gehen viele Beobachter davon aus, dass es sich dabei nicht mehr um Einzelfälle, sondern um koordinierte Aktionen handelt.
Nun, es gibt auch Proxys (Stellvertreter) von Russland. Klar ist zumindest, dass dahinter kein ziviler Akteur steckt. Denn zivile, kommerzielle Drohnen können nicht ohne Genehmigung um internationale Flughäfen fliegen. In der Nähe von Verkehrsflughäfen wird aus Sicherheitsgründen zudem sogenanntes Geofencing eingesetzt. Das hindert 95 Prozent der kommerziellen und zivilen Drohnen daran, in die Nähe eines Flughafens zu gelangen.
Einen Luftraum zu schützen, ist technisch sehr schwierig und kostspielig. Akteure mit Zugang zu erheblicher Technologie können mit Drohnen alle möglichen Zwischenfälle bei Verkehrsflugzeugen verursachen und viele Menschenleben gefährden. Dagegen muss mit spezieller Ausrüstung vorgegangen werden, wobei es nicht einfach ist, ein einziges Anti-Drohnen-System gegen alle Arten von Angriffen einzusetzen. Außerdem gab es in den letzten Jahren große Bedenken hinsichtlich der Kollateraleffekte solcher Störsender, die andere Kommunikationen oder Computersysteme schädigen können. In Österreich sind sie so auch nicht zugelassen.
Davon kann man ausgehen. Russland hat die Masse, aber nicht unbedingt die Qualität und Innovation. In Europa und auch in den USA gibt es mittlerweile mehrere vielversprechende Projekte – das sind massive Industrieprojekte für die Entwicklung von unbemannten Flugsystemen.
Das müssten Sie die politischen Entscheidungsträger fragen, die seit zwanzig Jahren sagen, dass es keinen Krieg mehr in Europa geben werde. Dabei gab es 2007 in Russland eine große Reform der Armee und der Rüstungsindustrie mit dem Ziel, in zehn Jahren kriegsbereit zu sein. Damals wollte man das im Westen nicht glauben. Doch immerhin gibt es jetzt viele Projekte, das ist das Wichtige. Denn heute geht es nicht nur um die Produktion einer großen Menge von Drohnen, sondern darum, den Gegner alle paar Wochen mit neuen Drohnen und neuen Technologien überraschen zu können.
Ja. Denn dafür dürfte insbesondere auch die industrielle Basis des europäischen Kleinunternehmens sehr effektiv sein – und einen Vorteil bieten gegenüber einem staatlichen Akteur, der drei bis vier Drohnenmodelle in Massen produziert.
Es geht gemäß der russischen Militärdoktrin und dem Konzept der Eskalation und der hybriden Kriegsführung darum, kritische Infrastrukturen anzugreifen oder zu sabotieren, Unsicherheit in der Bevölkerung zu verbreiten, Behörden schlecht aussehen zu lassen, traditionelle Medien infrage zu stellen, die nationalen Verteidigungsanstrengungen und die Militärhilfe für die Ukraine zu schwächen oder zu unterbrechen. Die baltischen Staaten können davon schon lange ein Lied singen. Sie sehen schon lange Dutzende Angriffe und Brände in der Nähe von Infrastruktur, Einkaufszentren und anderen Einrichtungen.