Nach Haft in Israel

Familien erkennen abgemagerte Häftlinge kaum noch

Israel lässt Hunderte Häftlinge im Austausch gegen 20 lebende und 28 tote Geiseln frei. Doch viele kehren abgemagert in den Gazastreifen zurück.
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14.10.2025, 16:32
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Seine Verwandten erkennen Kamal Abu Schanab kaum wieder. Als der 51-Jährige am Montag zusammen mit mehr als 1900 anderen Gefangenen aus israelischer Haft entlassen wird, bricht unter den Palästinensern Jubel aus. Doch Schanab aus Tulkarem im Westjordanland ist abgemagert. "Er ist nicht der Mensch, den wir kannten", sagt seine Nichte Farah Abu Shanab. "Unser Onkel sieht nicht wie unser Onkel aus."

Kamal Abu Schanab sagt, er habe Unvorstellbares durchgemacht. "Es war eine unbeschreibliche Reise voller Leid, Hunger, ungerechter Behandlung, Unterdrückung, Folter und Flüchen", sagt das Mitglied der gemäßigten Palästinenserorganisation Fatah von Präsident Mahmud Abbas. Im Gefängnis habe er 59 Kilogramm abgenommen.

Viele Häftlinge ohne Anklagen festgehalten

Israel hat im Rahmen des Waffenruheabkommens mehr als 1900 Palästinenser freigelassen. Zu ihnen gehören nach Angaben des israelischen Justizministeriums 250 Häftlinge, die zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, die meisten von ihnen wegen tödlicher Angriffe auf Israelis, die Jahrzehnte zurückliegen. Weitere rund 1700 wurden von den israelischen Truppen während des zweijährigen Krieges im Gazastreifen gefangengenommen und ohne Anklage festgehalten.

Die Palästinenser feiern sie wie Helden. In Beitunia hebt die Menge einige Freigelassene auf die Schultern. Andere lassen sich erschöpft auf Stühle sinken. In Chan Junis im Gazastreifen jubeln Tausende und feuern Schüsse in die Luft, als die Freigelassenen in grauen Overalls aus Bussen des Roten Kreuzes steigen. Sie werden im Nasser-Krankenhaus untersucht.

Häftlinge gegen Geiseln ausgetauscht

Die militant-islamistische Hamas hat die palästinensischen Häftlinge im Austausch gegen die verbliebenen 48 Geiseln freigepresst, die sie bei ihrem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 verschleppt und noch in ihrer Gewalt hatte. Die 20 überlebenden Geiseln wurden am Montag freigelassen. Später überstellte die Hamas die Leichen von vier der 28 in Geiselhaft umgekommenen Israelis.

Für Israel ist der Austausch ein schmerzliches Zugeständnis, denn eine ganze Reihe der Freigelassenen ist für Anschläge verurteilt worden, bei denen israelische Zivilisten und Soldaten getötet wurden. Während Israel sie als Terroristen betrachtet, sind sie in den Augen vieler Palästinenser Freiheitskämpfer, die sich gegen die jahrzehntelange israelische Militärbesetzung zur Wehr gesetzt haben.

Die israelischen Streitkräfte haben während des Gaza-Krieges Tausende Palästinenser bei Razzien in Unterkünften und Krankenhäusern sowie an Kontrollpunkten festgenommen. Jetzt sollen viele von ihnen freikommen. Die Familien wussten oft nicht, dass ihre Angehörigen inhaftiert worden waren. Es dauerte oft Monate, bis sie überhaupt erfuhren, dass diese sich in israelischem Gewahrsam befanden. In manchen Fällen gab es überhaupt keine Informationen.

Menschenrechtsgruppen kritisieren Haftbedingungen

Die meisten Häftlinge wurden auf der Grundlage von Gesetzen festgehalten, die zu Beginn des Krieges in Israel verabschiedet wurden und die es den Behörden ermöglichen, Palästinenser monatelang als "ungesetzliche Kämpfer" ohne gerichtliche Überprüfung oder Zugang zu Anwälten festzuhalten. Berichte von Menschenrechtsgruppen über die Haftbedingungen – einschließlich Isolation, Misshandlung und Krankheit – haben die Gefangenen zu prominenten Symbolen für den Freiheitskampf ihres Volkes gemacht. Fast jede palästinensische Familie hat einen Angehörigen oder Freund, der von Israel inhaftiert wurde, insbesondere junge Männer. Israel versichert, es halte sich an die gesetzlichen Gefängnisstandards und untersuche alle Berichte über Verstöße.

Nach der Freilassung vom Montag sitzen immer noch etwa 1300 Palästinenser aus dem Gazastreifen in israelischem Gewahrsam, wie eine Zählung der israelischen Menschenrechtsgruppe Hamoked im September ergab. Zu ihnen gehört ein halbes Dutzend bekannter Namen, die die Hamas nicht auf ihre Liste gesetzt hat, darunter Marwan Barghuti, Hassan Salameh, Ahmed Saadat und Abbas al-Sajjed. Barghuti gilt weithin als möglicher Nachfolger des 89-jährigen Abbas.

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