Bei der Präsidentenwahl in Tansania, die von massiver Gewalt überschattet wurde, ist die amtierende Staatschefin Samia Suluhu Hassan mit einer überwältigenden Mehrheit im Amt bestätigt worden. Laut den am Samstag im Staatsfernsehen verkündeten Endergebnissen erreichte Hassan knapp 98 Prozent der Stimmen.
Die größte Oppositionspartei Chadema gab an, dass bei den Protesten mindestens 800 Menschen ums Leben gekommen seien. Hassan selbst verurteilte hingegen die Gewalt durch Demonstranten. Die EU zeigte sich "äußerst besorgt" über die Situation in dem ostafrikanischen Land.
Laut dem offiziellen Wahlergebnis gewann Hassan mit 97,66 Prozent der Stimmen alle Wahlkreise. Nach Angaben der nationalen Wahlbehörde lag die Wahlbeteiligung bei 87 Prozent. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP und weitere Beobachter berichteten aber, dass die Wahllokale zum Großteil leer geblieben seien.
Die Chadema-Partei war von den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am Mittwoch ausgeschlossen worden und rief die Bevölkerung zum Boykott auf. Während der Abstimmung kam es im ganzen Land zu heftigen Protesten. "Nicht weniger als 800 Menschen" seien seit Mittwoch von Sicherheitskräften getötet worden, teilte die Partei der AFP mit.
Aus Sicherheits- und Diplomatenkreisen in Daressalam, dem Regierungssitz des Landes, erfuhr die AFP, dass es "hunderte Tote" gegeben habe. Die Zahl der Opfer könnte landesweit "vielleicht 700 bis 800" betragen, hieß es.
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "zutiefst besorgt" über die Berichte zu den vielen Toten und Verletzten. Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Mahmud Ali Jussuf, gratulierte Hassan in einer Erklärung, bedauerte aber "zutiefst den Verlust von Menschenleben".
Die EU forderte die Behörden in Tansania zur Zurückhaltung auf. "Zuverlässige Berichte über eine große Zahl von Todesopfern und Schwerverletzten geben Anlass zu äußerster Besorgnis", erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas am Sonntag. Sie forderte die Behörden "nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu üben, um Menschenleben zu schützen".
Der tansanische Außenminister Mahmoud Thabit Kombo bestritt zuvor den Einsatz von "übermäßiger Gewalt". Seiner Regierung lägen keine Zahlen zu Todesopfern vor.
Staatschefin Hassan verurteilte ihrerseits die Gewalt, die laut ihren Angaben von den Demonstranten ausgegangen sei. "Diese Zwischenfälle sind überhaupt nicht patriotisch", sagte sie am Samstag im Staatsfernsehen. "Wenn es um die nationale Sicherheit geht, gibt es keine Alternative dazu, alle Verteidigungsmaßnahmen einzusetzen."
Menschenrechtsgruppen hatten Hassan bereits vor den Wahlen vorgeworfen, für eine "Welle des Terrors" verantwortlich zu sein, darunter viele Entführungen.
Hassan hatte das höchste Amt nach dem Tod von Ex-Präsident John Magufuli im Jahr 2021 übernommen und wollte nun mit der Wahl ihre Position festigen. Chadema-Chef Tundu Lissu wurde im April festgenommen. Ihm wird Landesverrat vorgeworfen, ihm droht die Todesstrafe.
Chadema-Sprecher John Kitoka bezeichnete das Wahlergebnis als "Verhöhnung des demokratischen Prozesses" und forderte Neuwahlen. Er betonte, dass seine Partei womöglich zu "nationalen Protesten" aufrufen werde.
Der Sekretär der Katholischen Bischofskonferenz in Daressalam, Charles Kitima, meinte, Tansania sei zu einem "totalitären Regime" geworden. "Zum ersten Mal erleben wir in unserem Land die massenhafte Tötung von protestierenden Menschen", sagte er in einem Telefonat mit der AFP.
Wegen der Unruhen gab es in Tansania zahlreiche Flugausfälle. Auch der Hafen von Daressalam wurde geschlossen, wie unter anderem aus Daten der Website "Vessel Finder" hervorging. Viele Reisende saßen fest. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt, Tankstellen blieben zu. Angesichts immer leerer werdender Regale in den Geschäften gab es am Samstag Berichte über steigende Lebensmittelpreise.
Seit dem Ausbruch der Gewalt am Mittwoch befinde er sich in der Moschee, erzählte der 52-jährige Mohamed Radschab aus Daressalam der AFP. Seitdem sitze er dort fest. "Es gibt keine Verkehrsmittel. Ich weiß nicht, wann ich nach Hause zurückkehren kann."
Am Wahltag selbst kam es zu schweren Unruhen in der Millionenstadt Daressalam. Demonstranten rissen Banner von Präsidentin Hassan herunter. An einer Hauptstraße griff eine Gruppe Protestierender eine Polizeistation an und setzte sie in Brand. Von Daressalam aus breiteten sich die Proteste auf weitere Landesteile aus.