Rekord-Eis im Labor

Großes Klimawandel-Rätsel – jetzt kommt alles ans Licht

Teile des Rekord-Eisbohrkerns aus der Antarktis werden jetzt eingeschmolzen. Forscher wollen so rund 1,5 Millionen Jahre in die Vergangenheit blicken.
Roman Palman
21.07.2025, 06:57
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Ein wichtiger Teil des Rekord-Eisbohrkerns aus der Antarktis ist im Vereinigten Königreich eingetroffen. Es war zuvor im Rahmen des europäischen Projekts Beyond EPICA - Oldest Ice aus bis zu 2.800 Metern Tiefe ans Tageslicht geholt worden - zum allerersten Mal in vielleicht mehr als 1,5 Millionen Jahren.

Ziel des Projekts ist es, die Klimageschichte der Erde mit echten Messdaten zu rekonstruieren. Eisbohrkerne gehören zu den genauesten Klimaarchiven, bislang reichten sie aber nur etwa 800.000 Jahre in die Vergangenheit. Das ist jedoch zu wenig, um eine dramatische und bisher unerklärliche Veränderung zu erforschen.

Vor rund einer Million Jahre hat sich der Klimazyklus unseres Planeten erheblich verlangsamt. Hatte der Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten davor etwa alle 41.000 Jahre stattgefunden, wurden die Kaltzeiten danach bedeutlich länger. Der Wechsel erfolgte nur noch alle 100.000 Jahre. Bis heute konnte diese Verschiebung noch nicht vollständig erklärt werden, denn an den astronomischen Parametern (Stichwort Milankovic-Zyklen) hatte sich nichts geändert.

Für die Forscher ist der Rekordbohrkern aus der Antarktis nun das allererste Fenster in die atmosphärischen Bedingungen in einer Vergangenheit vor unserer "100.000er-Welt". "Dies ist eine völlig unbekannte Periode in der Geschichte unserer Erde. Es gibt keinen anderen Ort auf der Erde, der eine so lange Aufzeichnung der vergangenen Atmosphäre bewahrt wie die Antarktis. Sie ist unsere beste Hoffnung, die grundlegenden Triebkräfte der Klimaveränderungen auf der Erde zu verstehen", betont Liz Thomas, Leiterin des Eiskernteams beim beteiligten British Antarctic Survey (BAS).

Ihre Spezialisten werden Teile des Bohrkerns über sieben Wochen hinweg langsam einschmelzen. Die daraus gewonnenen Daten werden die ersten kontinuierlichen Rekonstruktionen wichtiger Umweltindikatoren über die letzten 1,5 Millionen Jahre liefern.

Verunreinigungen wie Staub, Vulkanasche, Salz und sogar Algen, wurden eingeschlossen, als das Wasser, der Schnee zu Eis wurden. Aus ihnen und chemischen Isotope in der Flüssigkeit  lassen sich Niederschläge, Windmuster, Temperaturen, Höhe des Meeresspiegels, sowie die Ausdehnung des Eisschildes dokumentieren.

Ein antarktischer Eisbohrkern im polarisierten Licht.
Sepp Kipfstuhl/Alfred-Wegener-Institut (AWI), CC BY 3.0

Ebenfalls enthalten: Winzige Luftbläschen deren Zusammensetzung auch heute noch genauso ist wie vor über einer Million Jahre. Gerade sie sind durch den menschenverursachten Treibhausgasanstieg in den letzten 150 Jahren von brennendem Interesse für die Forscher.

Denn die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre ist durch die fortgesetzte Verbrennung fossiler Rohstoffe heute höher als sie es jemals in mindestens 800.000 Jahren zuvor gewesen war. Das ist durch frühere Bohrkerne fest dokumentiert. Doch davor?

Atmosphärisches Kohlendioxid (CO2) in Teilen pro Million (ppm) für die letzten 800.000 Jahre auf der Grundlage von Eiskerndaten (violette Linie) im Vergleich zu den Konzentrationen im Jahr 2024 (pinker Punkt).
NOAA Climate.gov, basierend auf Daten des EPICA-Projects (Lüthi, et al.)

Laut Thomas könnten die Teams nun auch Beweise für ein früheres Zeitalter finden, in dem die Kohlendioxidkonzentration auf natürliche Weise genauso hoch oder sogar höher war als heute. Aus solchen Daten hoffen sich die Forscher Rückschlüsse, die die Vorhersagen über die Reaktionen des Erdklimas auf Treibhausgasanstiege zu verbessern.

"Unser Klimasystem hat so viele verschiedene Veränderungen durchgemacht, dass wir wirklich in der Lage sein müssen, in der Zeit zurückzureisen, um diese verschiedenen Prozesse und Kipppunkte zu verstehen", erklärt die BAS-Forschungsleiterin gegenüber BBC. Der Bohrkern hat für sie das Potenzial unser Wissen über den Klimawandel zu "revolutionieren".

Weitere Stücke des Rekordbohrkerns werden unter strengen Sicherheitsvorgaben im Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, Deutschland, und auch in der Schweiz analysiert.

{title && {title} } rcp, {title && {title} } Akt. 21.07.2025, 07:52, 18.07.2025, 17:57
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