Ende Juli erlebten rund 400 Bahnreisende im Tunnel Hadersdorf in Wien eine stundenlange Odyssee. Ein ICE blieb nach einem Defekt liegen, die Evakuierung zog sich quälend in die Länge. Ein nun bekannt gewordenes internes ÖBB-Protokoll dokumentiert eine Serie von Pannen und Verzögerungen beim Notfall-Management, wie der "Kurier" am Samstag berichtet.
Um 13.30 Uhr kam der Zug wegen eines defekten Stromabnehmers zum Stehen. Der Lokführer versuchte zunächst selbst, das Problem zu beheben – fast eine halbe Stunde lang. Danach meldete er, dass die "Entstörung langwierig" werde. Erst 50 Minuten später wurde ein entgegenkommender ICE in St. Pölten gestoppt, um den liegengebliebenen Zug abzuschleppen. Doch die Kupplung funktionierte nicht wie geplant.
Gegen 15.30 Uhr, also zwei Stunden nach dem Vorfall, fielen im Zug die Stromversorgung und sämtliche Toiletten aus. Eine Evakuierung wurde dennoch nicht sofort eingeleitet. Stattdessen kam es zu weiteren organisatorischen Verzögerungen: Die zuständige Einsatzleiterin traf erst rund 40 Minuten nach der Alarmierung am Westbahnhof ein, die Betriebskoordination brauchte noch länger.
Um 17 Uhr, da saßen die Passagiere bereits über drei Stunden fest, wurde die Räumung des ICE endlich angeordnet. Feuerwehr und Polizei wurden alarmiert, gegen 18 Uhr begann die Übersiedelung in einen Hilfszug. Doch auch hier gab es weitere Wartezeiten, weshalb einige Fahrgäste eigenmächtig den Tunnel verließen. Erst nach rund fünfeinhalb Stunden erfolgte die offizielle Evakuierung über Notausgänge.
Der Grüne Verkehrssprecher Lukas Hammer bringt zu dem Vorfall nun eine parlamentarische Anfrage an Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) ein. "Das uns zugespielte Protokoll wirft neue Fragen auf. Interne Abläufe sowie die öffentliche Kommunikation der ÖBB erscheinen in einem anderen Licht. Es braucht eine saubere Aufarbeitung, um Mitarbeiter besser vorzubereiten und die Sicherheit der Fahrgäste zu garantieren", wird Hammer im "Kurier" zitiert.
Die ÖBB betonen, eine Taskforce arbeite bereits an der Aufarbeitung des Vorfalls. Künftig sollen Züge bereits nach 30 Minuten ohne Fahrtauglichkeit evakuiert werden. Auch das Verkehrsministerium kündigt umfassende Einvernahmen von Beteiligten an, um den Sachverhalt vollständig zu klären.
Brisant bleibt die Frage nach den Ressourcen im Notfall: Für die Evakuierung von 400 Passagieren standen lediglich ein Lokführer, zwei Zugbegleiter und zwei Gastro-Mitarbeiter zur Verfügung – deutlich weniger als etwa bei Flugzeugen vorgeschrieben ist.