Der Amoklauf in Graz mit 10 Todesopfern hat Österreich nachhaltig bis ins Mark geschockt. Seither hat es im ganzen Land unzählige weitere Fälle gegeben, in denen die Polizei nach Drohungen eines Schülers einschreiten musste. Alle diese Nachahmer lösen Angst und Panik aus. Polizei, Rettung und andere Einheiten rücken aus, um Menschen zu schützen und in Sicherheit zu bringen.
Doch nur in jedem zwölften Fall hat der Verfasser mutmaßlich auch wirklich vor, seine Worte in die Tat umzusetzen. Für die Polizei ist es deshalb wichtig, ab Minute 1 auch die tatsächliche Bedrohungslage einschätzen zu können. Bei der Wiener Exekutive gibt es deshalb ein eigenes Team für dieses sogenannte Bedrohungsmanagement. Es besteht aus fünf Polizisten und einer Psychologin und Kriminologin.
"Unsere Aufgabe ist es, derartige Bedrohungslagen einzuschätzen, eine Gefahrenprognose zu erstellen und Handlungsempfehlungen zu erteilen", erklärt Teamleiter Michael Sonvilla in der aktuellen Ausgabe des Innenministeriumsmagazin "Öffentliche Sicherheit".
Im Jahr erreichen etwa 25 bis 30 Amok- oder Bombendrohungen gegen Schulen sein Team. Nur wenige davon werden öffentlich bekannt. Und das ist gewollt.
"Je öfter und detaillierter über eine Amokankündigung oder über einen Frauenmord medial berichtet wird, desto mehr fühlen sich andere Personen mit ähnlichen Gewaltfantasien bestätigt, diese auch zu verwirklichen", erläutert er. "Wir nennen das Problemlösung durch Vernichtung."
Dennoch enthüllt die Wiener Polizei nun auch Details zu konkreten Amokdrohungen gegen Wiener Schulen. Selbst ein Hochrisikofall, bei dem die WEGA intervenieren musste, wird beschrieben.
Ein Kind hatte seine Klassenlehrerin über den Chat eines Mitschülers informiert. Gleichzeitig machte ein Screenshot der Drohung die Runde. "Ich mach Amoklauf", ist darauf zu lesen. Die Nachricht löste massive Angst bei Eltern und Kindern aus.
Sofort wurden Beamte für eine Befragung zur Wohnadresse des Schülers geschickt. Währenddessen lief im Hintergrund eine Erhebung zu möglichem Waffenbesitz.
In der Befragung stellte sich dann heraus, dass der Schüler nach Anerkennung und Aufmerksamkeit bei seinen Mitschülern gesucht hatte. Er hatte sich von der Burschen-Clique ausgeschlossen gefühlt. Für die Polizei hieß das: Entwarnung.
Bei einem anderen Mal hatte der Hinweis eines Freundes vermutlich wirklich ein Blutbad verhindert. Die Wiener Polizei konnte den Tatverdächtigen noch am Weg zur Schule stoppen. Er hatte zwei Messer eingesteckt.
Die Details, die der Landespolizeichef preisgibt, schocken. Die Mutter des Schülers hatte offenbar schon mit einer Bluttat gerechnet. "Sie schien unseren Anruf bereits erwartet zu haben, denn sie hat gesagt: Hat er es jetzt gemacht?", erinnert sich Sonvilla.
Sofort wurde das gesamte Schulgebäude abgesichert und die WEGA pflückte den Schüler am Weg dorthin von der Straße. In einem gefundenen Tagebuch hatte der Festgenommene laut Exekutive Mordpläne niedergeschrieben und US-amerikanische Amokläufer verherrlicht.
Sollte es doch einmal zu einem Ernstfall kommen, rät das Innenministerium dazu, die Schule zu räumen und Schutz zu suchen – je nach Gefahrenlage vor Ort. Lehrkräfte sollen sich mit ihren Schülern in Klassenzimmern verbarrikadieren: Türen zu, weg von Fenstern, Schutz in den Ecken suchen.
Doch auch wenn eine Amokdrohung vielleicht nicht ernst gemeint war, löst sie massive Angst bei Lehrern und Schülern aus – diese hält oftmals wochenlang an. Bei Bedarf gibt es deshalb eine Nachbetreuung durch das Team Bedrohungsmanagement gemeinsam mit Schulpsychologen.