In der Steiermark spitzt sich die Lage an vielen Schulen dramatisch zu. Immer häufiger berichten Pädagogen von aggressiven Vorfällen, die weit über das hinausgehen, was im Schulalltag als normal gelten könnte. Die Zahl der Suspendierungen erreicht derzeit ein Rekordniveau – das Lehrpersonal fühlt sich zunehmend im Stich gelassen.
Lehrervertreterin Carmen Karolyi schildert gegenüber der "Kleinen Zeitung" Situationen, die sonst eher aus Krimiserien bekannt sind. "Wenn Kinder mit spitzen Gegenständen vor Mitschülern stehen und Sätze fallen wie ,Ich stech dich ab‘, bekommt man es als Lehrperson schon wirklich mit der Angst zu tun." Sie erhält regelmäßig Meldungen über Drohungen und körperliche Übergriffe – oft verübt von Kindern, die noch weit unter dem Strafmündigkeitsalter liegen.
Laut Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac befinden sich aktuell 46 Kinder aufgrund von Suspendierungen nicht im Unterricht – so viele wie noch nie. Hinter jeder dieser Maßnahmen steht für Lehrer ein enormer Kraftakt, betont Karolyi. Im vergangenen Jahr sei die Gewaltbereitschaft nochmals deutlich angestiegen.
"Da sind Kinder, die sich vor Angst am Klo verstecken, Fälle, in denen Kinder schon am Boden liegen und noch nachgetreten wird, während andere rundherum stehen und zuschauen – es ist wirklich erschreckend, wie normalisiert Gewalt inzwischen schon unter ganz jungen Kindern ist", so Karolyi.
Verbale Angriffe seien für viele Lehrpersonen inzwischen Routine, bestätigt auch Michael Gruber, Obmann der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer: "Darüber spricht, salopp gesagt, schon gar niemand mehr." Suspendierungen seien kein Schnellschuss. "Bis Kinder suspendiert werden, muss wirklich Gravierendes vorgefallen sein", betonen Karolyi und Gruber.
Die Ursachen sind laut Experten vielfältig. Jugendanwältin Schiffrer-Barac sieht einen wesentlichen Einfluss durch Social Media: "Kinder haben Zugang zu Inhalten, die schon für Erwachsene ungeeignet und schwer verdaulich sind, unbegleitet hat das unweigerlich Auswirkungen auf das Verhalten der Kinder."
Ein weiterer Faktor: Viele Schüler bringen traumatische Erfahrungen mit, die häufig gar nicht oder erst sehr spät aufgearbeitet werden. Karolyi sieht akuten Handlungsbedarf bereits in der Volksschule: "Wenn sie bis zur Mittelschule, zum Gymnasium nicht gelernt haben, mit ihren Emotionen umzugehen, sind sie nicht mehr greifbar. Jedes Kind bringt sein Packerl mit, genau deshalb müsste viel früher hingeschaut werden, bevor es zu spät ist."
Durch Gewaltvorfälle bleibt oft weniger Zeit für die eigentliche Wissensvermittlung, erzählt Karolyi: "Fällt in der Pause etwas vor, bespricht man das natürlich im Unterricht nach, weil es essenziell ist, solche Dinge zu thematisieren. Dadurch geht aber Zeit für die Wissensvermittlung verloren, die eigentlich unsere Grundaufgabe sein sollte."