Die Zahlen der Migranten, die von US-Einwanderungsbeamten täglich abgeschoben wurden, waren dem US-Präsidenten nicht hoch genug. Ende Mai sprach Stephen Miller, der Architekt der Einwanderungsagenda im Weißen Haus, vor einem Team hochrangiger Mitarbeiter. Die Botschaft war klar: Der Präsident, der angekündigt hatte, Millionen illegal im Land lebender Einwanderer abzuschieben, war nicht erfreut. Die Einwanderungsbehörde ICE müsse endlich einen Gang höher schalten, erzählte ein Insider zur "Wall Street Journal".
Konkret hieß das: Die Beamten müssten "einfach rausgehen und illegale Einwanderer verhaften", sagte Miller. Das Ziel der Regierung sei es, dass die Beamten täglich "mindestens 3.000 Festnahmen" vornehmen. Und so führten Beamte des ICE vergangenes Wochenende Razzien in Los Angeles durch – wie etwa bei der Baumarktkette Home Depot im überwiegend von Latinos bewohnten Viertel Westlake oder vor Autowaschanlagen sowie vor 7-Eleven-Läden, wo sich Tagelöhner üblicherweise auf der Suche nach einem Job treffen.
Dabei nahmen sie Menschen fest und setzten sie in weniger als 48 Stunden – und ohne Möglichkeit, ihre Familie zu kontaktieren – in Flugzeuge und schoben sie in ihr Heimatland ab.
Dass viele der Deportierten nicht einmal wussten, was mit ihnen geschehen war, zeigt der Fall des 23-jährigen Mexikaners Juan Fernando, der von ICE-Beamten an seinem Arbeitsplatz in einer Bekleidungsfabrik festgenommen und knapp zwei Tage später an der US-Grenze zu Mexiko abgesetzt worden war, mit der Aufforderung, nach Mexiko zurückzukehren.
Wie seine Eltern der "Washington Post" erzählten, habe Juan Fernando geglaubt, eine Einwilligung zu einem Coronavirus-Test unterschrieben zu haben, möglicherweise habe er aber die Einwilligung zu seiner Abschiebung unterschrieben. "Die Art und Weise, wie sie ihn abgeschoben haben, war nicht richtig", sagte sein Vater. Juan Fernando sei ein ruhiger, fleißiger Mann, der seit vier Jahren in den USA lebe und keine Vorstrafen habe. Mit der Abschiebung habe die USA seine Rechte verletzt, sagt die Familie.
Der Fall des 23-Jährigen ist nicht der einzige. Der mexikanische Außenminister erklärte, vier der bei der Razzien festgenommenen Einwanderer seien bereits aus den USA abgeschoben worden – eine Zügigkeit, die einige Anwälte als ungewöhnlich bezeichneten.
Laut Eva Bitran, Anwältin für Einwandererrechte, befand sich unter den jüngsten Festgenommenen eine Frau, die gerade ihren vierjährigen Sohn in den Kindergarten brachte. "Die Festgenommenen sind unsere Nachbarn, Gemeindemitglieder und die Arbeiter, die Los Angeles am Laufen halten", sagte Bitran.