In Graz gehen am Donnerstag unzählige Eltern für und mit ihren Kindern auf die Straße. Es ist ein Protestmarsch für mehr Schulassistenz und gegen ungeheuerliche Aussagen aus dem Büro des zuständigen Landesrats, Stefan Hermann (FPÖ).
Dessen Abteilung 6 hatte vor wenigen Tagen mit einer E-Mail an die Direktorin des inklusiven Pflichtschulclusters Hausmannstätten bei Graz. Darin wurde eine Aufstockung der Schulassistenzstunden abgelehnt.
Für Wut und Fassungslosigkeit sorgte die Begründung: In dem Schreiben war von "de facto nicht schulfähigen" Kindern die Rede. Dazu hieß es, dass es nicht die Aufgabe der Schulassistenz sei, "die Beschulbarkeit von Kindern herzustellen".
"Ich war fassungslos. Der Satz hat auch bei den Eltern für hochgradige Irritation gesorgt", schildert Schulleiterin Edeltraut Foller der "Kleinen Zeitung". Eine zitierte Mama bringt es auf den Punkt: "Da kann man nur überkochen vor Wut. Sie haben unseren Kindern eine Diagnose gestellt, die sie nicht stellen dürfen."
"Mein erster Gedanke war: Was hat das mit Inklusion zu tun und was ist mit der Schulpflicht? Ich dachte, wir sind in einem falschen Film", kommentiert eine andere Mutter, deren Sohn mit Downsyndrom lebt und zusätzliche Betreuung benötigt.
Das Büro des FPÖ-Bildungslandesrats Hermann verweist in einer Stellungnahme zur Causa auf eine Evaluierung, die im Herbst an der Schule stattgefunden hatte. Die für Wut sorgende "Einschätzung" sei durch "fachkundiges Personal unter Beiziehung einer klinischen Psychologin" erfolgt, heißt es dazu.
Für Foller, die betroffenen Eltern und auch Behindertenanwälte ist klar: Das Land überschreitet mit dieser "Diagnose" klar seine Kompetenzen. Es habe lediglich den Bedarf an Schulassistenz festzustellen und zu decken.
"Jedes Kind hat ein Recht, die Regelschule zu absolvieren. Es gibt keine Möglichkeit zu verfügen, dass ein Kind in die Sonderschule muss", hält der steirische Jurist Siegfried Suppan fest. Diese Entscheidung liege bei den Eltern.
Dann ist da noch die Schulpflicht. Alle betroffenen Kinder sind derzeit auch schulpflichtig. Und daran kann auch das Land nichts ändern. Über die Schulreife selbst dürften nur die jeweiligen Schulleiter entscheiden, so Suppan. Genau das habe das Land damit Direktorin Foller aber abgesprochen – obwohl in Hausmannstätten seit Jahrzehnten Kinder mit Beeinträchtigungen in inklusiven Klassen unterrichtet werden.
Für eine Aufhebung der Schulpflicht ist das Land ebenfalls nicht zuständig. Die notwendigen Bescheide dazu kann nur die Bildungsdirektion ausstellen, wenn medizinische Gründe einen Schulbesuch verhindern oder derselbe für das Kind eine unzumutbare Belastung ist. Bevor das möglich ist, müssen laut Suppan aber alle Möglichkeiten – und damit auch Schulassistenzen – ausgeschöpft worden sein.
Aus der Bildungsdirektion heißt es, dass aktuell allgemein geprüft würde, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung möglich wäre. Bisher – es gibt aktuell 26 von der Schulpflicht befreite Kinder in der Steiermark – sei der Antrag immer von Seiten der Eltern ausgegangen. Auch seitens der Schule sei dies möglich. Jetzt soll geklärt werden, "inwiefern auch Dritte, also etwa das Land, eine Überprüfung anstoßen können." Voraussichtlich muss dafür aber auch das Bildungsministerium in Wien involviert werden.
Was bleibt, ist Ratlosigkeit. Schulleiterin Edeltraut Foller will zwar weiter das Beste für ihre Schützlinge herausholen – wie lange das die Lehrer noch durchhalten, ist offen. Denn die Belastung steigt, und es stehen bereits die nächsten Herausforderungen an. Die Einschreibungen fürs kommende Schuljahr stehen vor der Türe. "Ich habe wieder Kinder auf der Liste, die Assistenz benötigen. Da stellt sich schon die Frage: Wie soll das weitergehen?"
