41,6 Prozent holte die Wiener SPÖ unter Michael Ludwig bei der Wahl 2020. Heuer, am 27. April, will er an das Ergebnis herankommen. Ob der 63-Jährige die vollen fünf Jahre durchzieht, mit wem er sich eine Koalition vorstellen kann und was der von der Bundesregierung fordert, verrät er im "Heute"-Interview.
Das sagt Ludwig zu:
"Es war eine sehr fordernde Zeit, in der wir sehr große Krisen zu bewältigen hatten. Wir haben die Regierungsperiode in der Coronakrise begonnen – mit allen ihren Maßnahmen, die zu setzen waren", so Ludwig. Dann sei der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – "in unmittelbarer Nähe zu Wien" – mit zahlreichen Flüchtlingen dazugekommen. Rund 30.000 von ihnen seien noch immer in Wien. "Ich glaube aber, dass wir die Stadt trotz allem gut durch diese Zeit gebracht und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt ausgebaut haben. Wir haben als einiges Bundesland letztes Jahr ein Wirtschaftswachstum geschafft und sind das Bundesland mit dem stärksten Anstieg an Arbeitskräften", so der Wiener Bürgermeister.
Die Koalition mit den Neos sei "sehr erfolgreich" gewesen: "Ich denke, wir haben gemeinsam schwierige Zeiten in einer stabilen Regierung durchlebt."
In zwei Jahren erreicht der Wiener Stadt- und SPÖ-Chef das Pensionsantrittsalter. Ob er, wenn er gewählt wird, die Periode durchregiert? "Wir werden sehen, in welchem Ausmaß mir die Wähler das Vertrauen schenken, weiterhin tätig zu sein. Wenn ich die Unterstützung der Wiener Bevölkerung habe, dann bleibe ich bis 2030 im Amt."
Als Wahlziel gibt Ludwig an, an die 41,6 Prozent von 2020 "heranzukommen". Laut der aktuellsten Umfrage liegt die SPÖ bei 38,3 Prozent. "Das wäre kein schlechtes Ergebnis, aber es würde mich natürlich nicht zufrieden stimmen", so der SPÖ-Chef. Die FPÖ käme laut dieser Umfrage auf 21,9 Prozent – eine Verdreifachung gegenüber 2020.
„Schon alleine, wenn man sich den Stil anschaut, wie sie mit Menschen umgehen, wie sie auch politische Mitbewerber adressieren, dann dürfen sie sich nicht wundern, dass man nämlich generell mit ihnen keine Koalition machen möchte“Michael Ludwigüber eine Koalition mit der FPÖ
Er wolle nach der Wahl mit allen Parteien sprechen, habe bereits Stadtregierungen mit ÖVP, Grünen und zuletzt den Neos mitverhandelt. Was ist mit der FPÖ? Diese käme als Koalitionspartner nicht infrage, egal wie stark sie nach der Wahl sind: "Schon alleine, wenn man sich den Stil anschaut, wie sie mit Menschen umgehen, wie sie auch politische Mitbewerber adressieren, dann dürfen sie sich nicht wundern, dass man nämlich generell mit ihnen keine Koalition machen möchte. Auch wenn sie dann immer sehr beleidigt reagieren, aber sie führen eine solche Situation ja bewusst herbei."
Ob es in seinem Stadträte-Team Veränderungen geben wird, hänge vom Wahlergebnis und auch vom Koalitionspartner und seiner Schwerpunktsetzung ab. "Ich habe da in der Vergangenheit immer wieder auch Überraschungen erlebt", so Ludwig.
Er habe "immer größtes Vertrauen in die österreichische Justiz, dass sie das entsprechend bewerten wird und von daher muss jeder für sich entscheiden, zu welchem Zeitpunkt er politische Konsequenzen zieht", so der Bürgermeister. Karl Mahrer und die Wiener ÖVP würden dadurch nicht automatisch als Koalitionspartner ausscheiden.
Und was ist mit der Anklage gegen seinen Parteifreund, den Donaustädter Bezirkschef Ernst Nevrivy? "Im Fall von Herrn Bezirksvorsteher Nevrivy hat mir auch sein Anwalt versichert, dass da relativ wenig Substanz dahinter ist und dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass hier keine begründeten Momente weiterverfolgt werden."
Er sei "sehr froh, dass diese Koalition zustande gekommen ist, die ein sehr ambitioniertes Programm hat", so Ludwig. Er habe alles daran gesetzt, einen Kanzler Kickl (FPÖ) zu verhindern. Die Koalition habe "schwierige budgetäre Rahmenbedingungen vorgefunden", die man nicht der SPÖ vorwerfen könne, werde aber eine "starke sozialdemokratische Handschrift" haben. "Wir werden mit Sicherheit sehr gut und eng mit dieser Bundesregierung zusammenarbeiten", verspricht der Wiener Stadtchef.
Dass der ehemalige Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke nun Infrastrukturminister ist, sei "sicher von Vorteil" für die Stadt im Hinblick auf den Lobautunnel oder die Verkehrsberuhigung der Inneren Stadt. Hanke kenne die Herausforderungen und wisse auch, was nötig ist.
"Ich habe schon vor vielen Jahren, gleich als ich Bürgermeister geworden bin, angeboten, dass Wien die Polizei übernimmt, wenn uns die Bundesregierung nicht mehr Beamte zukommen lassen kann, so Ludwig. "Wir haben ja auch andere Blaulicht-Organisationen, die von der Stadt Wien betreut werden: Berufsfeuerwehr, Berufsrettung – und wir haben in all diesen Organisationen kein Personalproblem."
Solange das aber nicht der Fall sei, brauche Wien keine Stadtpolizei. Die bereits bestehenden Ordnungsdienste wie die Gruppe Sofortmaßnahmen, Parksheriffs, Wohnberater oder Sicherheitsmitarbeiter der Wiener Linien seien bei den jeweiligen Ressorts gut angebunden.
Mit diversen Maßnahmen – wie der Aufstockung der Wiener-Linien-Securities von 110 auf 150 oder der Umrüstung von Lampen auf hellere LEDs – wolle man das subjektive Sicherheitsgefühl der Wiener erhöhen.
Objektiv sei Wien eine der sichersten Metropolen weltweit, die Kriminalstatistik weise rückläufige Zahlen auf, rechnet der Stadtchef. "Wien ist die fünftgrößte Stadt in der Europäischen Union, wir können uns ja nicht mit einem Dorf vergleichen", so Ludwig. Wien habe bei 25 Prozent der Polizeibeamten zwei Drittel aller Einsätze zu verzeichnen. Der Grund seien Großveranstaltungen und auch Demonstrationen, die zumeist in Wien stattfinden würden. Rund 11.000 dieser Einsätze habe es 2024 gegeben, rechnet der SPÖ-Grande vor.
Die Herausforderungen an die Beamten seien in Wien andere als am Land. Er habe daher einen Wien-Bonus für Polizisten vorgeschlagen. Zahlen solle diesen der Bund.
Mehr Videoüberwachung an Hotspots sei "durchaus eine Möglichkeit", so der Wiener SPÖ-Chef. Diese würde der Polizei helfen, Kriminelle auszuforschen. So seien die Öffis "ziemlich flächendeckend" videoüberwacht. "Da gab es nur anfangs Diskussionen, jetzt wird das von der Bevölkerung sehr gut angenommen." Grünes Licht von der Datenschutzkommission gebe es für Videoüberwachung aber nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und es eine entsprechende Anzahl an Vorfällen gebe.
Man habe Brennpunkte wie die Gumpendorfer Straße oder die Josefstädter Straße bei den jeweiligen U6-Stationen im Blick. Hier sei die Präsenz von Polizei, Gruppe Sofortmaßnahmen und auch Sozialarbeitern erhöht worden.
Bei Alkoholverbotszonen müsse man mit Vorsicht vorgehen, "damit es keinen Verdrängungseffekt gibt und dass man auch sozialarbeiterisch mit auffälligen Personen umgeht, sonst verteilt man ja nur die Probleme".
„Mehr Waffen bedeuten nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Unsicherheit“Michael Ludwigfordert ein flächendeckendes Waffenverbot
Ein guter Beitrag zu mehr Sicherheit sei ein flächendeckendes Waffenverbot, so Ludwig: "Da merke ich viel Unterstützung in Wien von der Bevölkerung und auch von vielen Bürgermeistern aus anderen Gemeinden. Mehr Waffen bedeuten nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Unsicherheit."
"Ich bin sehr dafür, dass man Zuwanderung reglementiert und gegen illegale Asylwerber vorgeht." Bei Integrationsunwilligen setze er aber auf "Gespräche": "Ich glaube, es ist wichtig, auf die Menschen zuzugehen, ihnen zu sagen, wie unsere Gesetze und wie unsere Hausordnung funktioniert. Und dass man sich daran orientieren muss, wenn man hier leben will", so der Wiener Bürgermeister.
„Ich bin sehr dafür, dass man Zuwanderung reglementiert und gegen illegale Asylwerber vorgeht“Michael LudwigWiens SPÖ- und Stadtchef
Ständig Strafen anzukündigen, die dann ohnehin nicht exekutiert werden, würde "die Bevölkerung irritieren", ist er überzeugt. Wer nach Österreich kommt, solle "vom ersten Tag an Deutsch lernen – egal, welcher Aufenthaltstitel. Dann muss man aber auch die Angebote machen", fordert Ludwig den Bund zum Handeln auf.