In einem Interview mit der "Krone" hat SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer am Sonntag seine Pläne zur Stabilisierung des Staatshaushalts, zur Reform des Gesundheitswesens und zur Ausrichtung der Klimapolitik skizziert. Dabei verteidigte er mehrere umstrittene Maßnahmen und betonte mehrfach, dass seine Budgetpolitik "sozialdemokratisch" und "realistisch" zugleich sei.
Trotz hoher Staatseinnahmen bleibt das Budgetdefizit eine zentrale Herausforderung. Marterbauer hält an seinem Ziel fest, bis 2028 die Drei-Prozent-Marke beim Defizit zu unterschreiten. Auf die kritischen Prognosen des Fiskalrats angesprochen, zeigte er sich optimistisch: "Ich fühle mich durch den Fiskalrat bestätigt. Er lobt sogar die Sparmaßnahmen und sagt, der Finanzminister soll alle Maßnahmen umsetzen, die er sich vorgenommen hat. Das stärkt meine Position in der Regierung."
Die Diskrepanz zwischen seinen Einschätzungen und denen des Fiskalrats erklärt er mit noch nicht vollständig umgesetzten Maßnahmen: "Wir haben eine Reihe von Maßnahmen im Budget eingestellt, die noch nicht konkretisiert sind und der Fiskalrat daher in seine Berechnungen nicht aufnehmen kann." Dazu zählt Marterbauer etwa die Steuerbetrugsbekämpfung, die zunächst 270Millionen Euro einbringen soll, später 450Millionen.
Bezüglich der Gesundheitsreform warnt Marterbauer vor Schnellschüssen: "Ich würde davor warnen, zu sagen: In zwei Monaten haben wir die Lösung. Das kann nur ein Pfusch sein." Er spricht sich für eine schrittweise Strukturreform aus und verweist auf das Doppelbudget für 2025/26, das den Ländern ausreichend Zeit zur Umsetzung gebe. Konkret soll in Bereichen wie Spitalskoordination und Bildungsfinanzierung effizienter gearbeitet werden. Ziel sei es, durch mehr Vorsorge langfristig die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen zu verringern.
Die Finanzierung der Pensionen bleibt ein zentrales Thema. Derzeit zahlt der Bund jährlich rund 30Milliarden Euro zu. Für Marterbauer kein Grund zur Panik: "Mich schreckt es nicht, wenn 30Prozent des Budgets an eine Gruppe gehen, die auch 30Prozent der Bevölkerung ausmacht." Die gesetzliche Pension in Österreich funktioniere gut – anders als etwa in Deutschland: "In Deutschland kann man von der gesetzlichen Pension nicht mehr leben. In Österreich kann man das und das wird auch so bleiben."
Von einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters, wie in Dänemark, hält er nichts. Eine solche Debatte sei aus seiner Sicht "ein Anschlag auf das Sozialsystem". Denn: "Wenn wir alle mit 70 in Pension gehen würden, würden die unteren Einkommensgruppen, die schlecht ausgebildeten, kaum mehr Pensionsjahre haben." Marterbauer sieht die Unternehmen in der Pflicht, wenn es um die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer geht.
Er verweist darauf, dass ein Drittel der Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten keine über 60-Jährigen anstellt. "Da fragt man sich, die jammern über Arbeitskräfteknappheit und beschäftigen keine Älteren. Ja, hallo!", kritisiert er. Zwar gibt es laut ihm noch keine Regierungseinigung, doch er zeigt sich offen für ein Bonus-Malus-System: "Ich würde gern mehr Druck ausüben auf die Arbeitgeber, die keine Älteren beschäftigen. Da gibt es in anderen Ländern durchaus gute Modelle." Und: "Also macht euren Teil, kann ich nur sagen."
Zur Kritik an gekürzten Familienleistungen antwortet der Finanzminister mit einem klaren Dementi: "Wir kürzen ja keine Familienleistungen. Wir erhöhen sie nicht." Die geplanten Einsparungen bei Kinderbeihilfe und Kinderabsatzbetrag würden durch mehr Sachleistungen kompensiert. Dazu zählen unter anderem ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, mehr Deutschförderung und psychosoziale Betreuung. "Das hilft den Familien im unteren, mittleren Einkommensbereich viel mehr als die Kinderbeihilfeerhöhung, die an alle geht", betont Marterbauer. Für ihn sei das "sozialdemokratische Familienpolitik".
Marterbauer fordert zudem eine Wende in der Klimapolitik: Weg von flächendeckenden Förderungen, hin zu verbindlichen Vorgaben. "Wir haben allerdings das Geld nicht mehr, so wie die letzte Regierung, jetzt das Land mit Förderungen zuzuschütten." Die neue Linie laute: "Weniger Förderungen, aber mehr Regulierungen oder Vorschriften." Ziel sei es nicht nur, die Emissionen zu senken, sondern auch die Bevölkerung besser vor den Folgen der Klimakrise zu schützen – etwa durch Begrünung der Städte oder Hochwasserschutzmaßnahmen. Besonders ärgere ihn die Blockadehaltung mancher Bundesländer: "Da frage ich mich, was ist los mit euch?", sagte er in Richtung Oberösterreich, das den Bau von Windkraftanlagen behindere.
Auch zur Debatte über Lohnerhöhungen äußerte sich Marterbauer kritisch – allerdings nicht gegenüber den Gewerkschaften. Dass sich Unternehmer über hohe Abschlüsse beschweren, verstehe er nicht: "Die Kollektivverträge, wenn ich das Recht sehe, tragen die Unterschriften von beiden Seiten. Die werden sich wohl nicht über etwas aufregen, was sie selber unterschrieben haben." ÖNB-Gouverneur Holzmanns Aussagen, Lohnerhöhungen seien unnötig, da das Geld gehortet werde, kommentiert Marterbauer süffisant: "Bei der Nationalbank werden die Löhne nicht erhöht? Das nehme ich mit Interesse zur Kenntnis."
Zugleich erkennt er das Inflationsproblem an: "Wir haben nach wie vor einen Inflationsabstand zur Eurozone von einem Prozentpunkt, wahrscheinlich zu viel." Die Bundesregierung versuche, mit Maßnahmen wie dem Mietenstopp gegenzusteuern. Auf Kritik, dass die Regierung nicht bei sich selbst spare, reagierte Marterbauer mit einem Verweis auf sein eigenes Ministerium. Das Kabinett sei deutlich kleiner als unter Vorgänger Brunner, und auch bei Werbeausgaben sei man zurückhaltender: "Im Jahr 2021 hat das Finanzministerium für Werbung zehn Millionen ausgegeben. Wir sind bei zwei Millionen heuer."