Moderne Autos sind längst keine reinen Maschinen mehr – sie sind rollende Computer. Das Projekt Shift2SDV, eine europäische Initiative koordiniert von der Grazer Virtual Vehicle Research GmbH, vereint 83 Partner aus Industrie, Forschung und Technik – mit dem Ziel, Europa technologisch beim Fahrzeug der Zukunft an die Spitze zu bringen. Shift2SDV soll das Fundament für ein neues digitales Ökosystem rund ums Fahrzeug – das Software-Defined Vehicle, kurz SDV – legen.
Im Zentrum des Projekts steht eine universelle Software-Architektur, die auf sogenannten Microservices basiert. Diese ermöglichen es, komplexe Fahrzeugfunktionen modular zu programmieren, unabhängig von der darunterliegenden Hardware. Das Ziel: Ein flexibles, markenübergreifendes Framework, das sowohl in sicherheitskritischen Onboard-Systemen als auch in vernetzten Cloud-Lösungen eingesetzt werden kann – und dabei herstellerübergreifende Standards setzt.
Was heute noch von monolithischen Systemen dominiert wird, soll dank Shift2SDV in eine flexible, offene Struktur überführt werden. Konkret wird ein modernes Middleware-Framework entwickelt, das die Brücke zwischen Fahrzeug-Hardware und Anwendungs-Software schlägt. Diese "unsichtbare" Softwareebene enthält Sicherheitsprotokolle, Kommunikations-Schnittstellen und Datenmanagement. Damit diese Brücke zuverlässig funktioniert, setzt das Konsortium auf einen "Code-First"-Ansatz und robuste Open-Source-Standards.
Ziel ist es, die Integration neuer Funktionen zu beschleunigen und die Portabilität zwischen verschiedenen Fahrzeugplattformen zu erhöhen. Die Dimension des Projekts ist gewaltig: Mit einem Gesamtvolumen von rund 68 Millionen Euro über drei Jahre und Partnern aus 15 europäischen Ländern gehört Shift2SDV zu den größten SDV-Initiativen Europas. Federführend ist die österreichische Virtual Vehicle Research GmbH, die das Großprojekt koordiniert. Auch Namen wie BMW, Bosch, Mercedes, Continental, AVL, Faurecia oder NXP sind mit an Bord.
Die Ideen von Shift2SDV sind bereits jetzt nicht nur theoretisch. Während der Projektlaufzeit sollen konkrete Anwendungsbeispiele demonstrieren, wie sich die entwickelte Middleware in der Praxis bewährt. Dazu gehört unter anderem die Integration von Edge-Computing-Komponenten, also dezentrale Rechenleistungen direkt im Fahrzeug, sowie die Verknüpfung mit cloudbasierten Diensten außerhalb des Autos. Ein weiterer technischer Fokus liegt auf der Orchestrierung – also der intelligenten Verteilung von Rechenressourcen.
So soll maximale Effizienz bei gleichzeitig maximaler Sicherheit erreicht werden. Shift2SDV kann als politische und technologische Kampfansage an globale Tech-Giganten gedeutet werden, die bisher den Ton in Sachen Software für Autos angegeben haben. Das Signal: Europa will eigene Standards setzen – auf Open Source basierend, sicherheitszertifiziert und zukunftsgerichtet. Die Ergebnisse des Projekts sollen nicht in Schubladen verschwinden, sondern aktiv in die Industrie getragen werden.
Dass die Koordination ausgerechnet in Graz angesiedelt ist, ist kein Zufall. Die Virtual Vehicle Research GmbH gilt als eines der führenden europäischen Kompetenzzentren für Fahrzeugentwicklung. Über 300 Fachleute arbeiten dort tagtäglich daran, mit Simulationen, digitalen Zwillingen und Künstlicher Intelligenz die Mobilität der Zukunft zu gestalten. Das Unternehmen kooperiert weltweit mit mehr als 100 Industriepartnern und über 50 wissenschaftlichen Institutionen – darunter OEMs, Zulieferer und Softwarehersteller.
Neben den bereits erwähnten Schwergewichten aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Spanien sind auch Universitäten, Forschungseinrichtungen und innovative Start-ups Teil des Konsortiums. Die Liste liest sich wie ein Branchenkompendium: AVL, Bosch, BMW, Thales, NXP, Valeo, ZF Friedrichshafen, TTTech Auto, aber auch zahlreiche Hochschulen wie die TU München, das Politecnico di Milano oder die Universität Bologna sind beteiligt. Auch assoziierte Partner wie Mercedes, Ford Otosan oder die Eclipse Foundation bringen sich ein.