"Heute"-Interview

Neos-Chefin: "Politik muss jetzt raus aus dem ORF"

Niederösterreichs Neos-Frontfrau Indra Collini über den ORF, Noten für die Bundesregierung, Bildung. Zum Coronafonds sagt sie: "Abschaffen."
Erich Wessely
18.07.2025, 05:30
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Im fünften und letzten "Heute"-Sommerinterview übt die nö. Neos-Frontfrau Indra Collini scharfe Kritik an Schwarz-Blau im Land, vergibt Noten für die Bundesregierung, sieht eine bedrohliche Finanzlage in NÖ, sagt, welche politischen Themen aus ihrer Sicht nun anzugehen sind und nimmt auch zur Dienstwagen-Affäre ihres Parteikollegen Sepp Schellhorn Stellung.

"Heute": Frau Collini, die Neos sind in der Bundesregierung angekommen. Welche Note würden Sie der Regierung für die bisherige Arbeit geben?

Indra Collini: "Ich würde sagen "Gut" ist eine passende Note, aber natürlich gibt es noch einiges zu tun. Aber die Neos sind sehr, sehr gut angekommen. Es ist innerhalb kürzester Zeit viel passiert, was die letzte Bundesregierung nicht auf den Weg gebracht hat. Etwa die Pensionsreform, aber auch im Bildungsbereich gibt es Fortschritte. Minister Christoph Wiederkehr ist von Tag eins an ins Tun gekommen, Stichwort Handyverbot in Schulen."

Welche Note würden Sie speziell der pinken Partei geben?

"Auch ein "Gut". Für uns ist es natürlich eine neue Situation, eine neue Rolle, in die wir auch organisatorisch reinfinden müssen. Ich finde es sehr gut, dass wir standhafte Abgeordnete mit Rückgrat haben, damit die Dinge im Sinne unserer Wählerinnen und Wähler und im Sinne des Landes vorangetrieben werden."

VIDEO: Interview mit Indra Collini in voller Länge

Zur nö. Landesregierung – wie sehen Sie die Performance von Schwarz-Blau?

"Die Halbjahresbilanz ist leider sehr enttäuschend. Warum sehe ich das so? Schwarz-Blau ist wie ein großer Machtblock. Es geht nur um populistische Themen und Schlagzeilen wie Schnitzelprämie, Gender-Erlass oder Islamismus-Gesetz, das man so nicht gebraucht hätte. Was mich besonders schmerzt, ist die finanzielle Lage. Wir haben in der Zwischenzeit einen Schuldenstand von fast zehn Milliarden Euro und die Landesregierung macht nichts."

Sie nehmen immer wieder den Finanzlandesrat in die Kritik. Ist die finanzielle Lage wirklich um so viel schlimmer als in anderen Bundesländern?

"Sie ist sehr viel schlimmer. Wir sind nach Kärnten das Bundesland mit der zweithöchsten Pro-Kopf-Verschuldung und Kärnten hatte die Hypo. Es wird Jahr für Jahr mehr ausgegeben, als man einnimmt und auch als man budgetiert. Der Finanzlandesrat hat also das Budget nicht im Griff. Jetzt haben wir den Rechnungsabschluss bekommen, der ist falsch und um 160 Millionen Euro geschönt, weil man einen technischen Umstellungsfehler gehabt hat und diesen einfach negiert. Man schönt die Bücher, man verkauft das letzte Familiensilber mit den Wohnbauförderungen. Es gibt keine Projekte, wie man die Digitalisierung vorantreibt oder wie man die Verwaltung besser aufstellt. Und in der Zwischenzeit muss sich auch sagen, dass Johanna Mikl-Leitner das Land nicht gut führt."

„Für uns war immer klar: Wir müssen den Coronafonds auflösen.“
Indra ColliniNeos NÖ-Chefin

Woran machen Sie das fest?

"Weil nichts passiert. Der Reformfunke, den wir Neos gezündet haben, ist auf die Bundesregierung übergesprungen. Die Bundesregierung streitet nicht und geht die wichtigen Themen endlich an. Die Bundesländer haben sich im März getroffen und eine Reformpartnerschaft unterzeichnet. Johanna Mikl-Leitner hat das so unterzeichnet, aber bis zum heutigen Tag ist nichts passiert. Sie ist gerade dabei, diesen Reformfunken im Land zu ersticken."

Niederösterreichs Neos-Chefin Indra Collini
Denise Auer

Wenn Sie in der Landesregierung wären, welche Themen würden Sie als Erstes anpacken?

"Da gibt es natürlich sehr viel zu tun. Eines der ersten Bereiche ist das Thema Bildung. Im Ausbau der Kinderbetreuung haben wir noch sehr viel zu tun. Die Parteienförderung müssen wir endlich reformieren. Der dritte Bereich ist die Verwaltung, weil wir im Bürokratieabbau nicht vorankommen."

Wie sehen Sie den umstrittenen Coronafonds, was sollte stattdessen mit den Geldern passieren?

"Wir haben uns hier immer ganz klar positioniert: Der Fonds war die Erfüllung einer politischen Forderung der FPÖ. Man hat gesehen, dass sehr wenig über den Coronafonds abgewickelt worden ist. Für uns war immer klar, wir müssen den Coronafonds auflösen, wir brauchen das Geld in anderen Bereichen, gerade etwa im Bildungsbereich."

Ihre Partei stellt den Bildungsminister. Wo muss man ansetzen, wo gibt es die gröbsten Probleme?

"Das größte Problem ist dieser totale Kompetenz-Wirrwarr. Es gehören mehr Kompetenzen zum Bund, hier sieht man auch mit Christoph Wiederkehr, dass was weitergeht. Bildungspolitik in Niederösterreich ist auch immer ÖVP-Machtpolitik, wir brauchen endlich eine Entpolitisierung im Bildungsbereich. Zum Thema Migration und Schule: Die Herausforderung ist Deutsch, die Herausforderung sind die Werte. Das schaffe ich nur in der Klassengemeinschaft mit gut durchmischten Klassen. Gott sei Dank hat Christoph Wiederkehr auch in den ersten Monaten bereits die Deutsch-Förderklassen-Kräfte verdoppelt. Und natürlich sind Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter immens wichtig."

Das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landesdirektoren wird abgeschafft – welche Reformen braucht es im ORF noch?

"Ich freue mich sehr, dass das gelungen ist. In Niederösterreich hat es etwa die Lex Ziegler gegeben, wenn Sie sich erinnern. Aus Neos-Sicht kann das aber nur der erste Schritt sein in einer Entpolitisierung des ORF. Es muss der Publikumsrat neu aufgestellt werden, es muss der Stiftungsrat neu aufgestellt werden. Auch die Bürgerinnen, was diese sich wünschen, sollte mehr gehört werden."

Wie sehen Sie die Dienstwagen-Affäre um Staatssekretär Sepp Schellhorn?

"Dass Sie mich das heute fragen, damit habe ich fast gerechnet. Es ist dazu eigentlich alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Fak ist, dass dieses Auto billiger ist als jenes, auf das er verzichtet hat. Positiv ist, dass wir noch nie so viel Transparenz hatten, was Dienstwagen kosten. Ich würde viel lieber darüber reden, was Sepp Schellhorn voranbringen kann und möchte. Sie wissen, dass Sepp einer ist, der für Deregulierung und Entbürokratisierung brennt. Und ich freue mich, wenn er im Herbst sein Büro endlich hat, nämlich seine Deregulierungsabteilung, die gerade aufgebaut wird. Aber natürlich war er in der Dienstwagen-Causa kommunikativ nicht geschickt."

Sie fordern immer wieder bei den Politikerbezügen zu sparen, Sie nennen es "Politikpreisbremse".

"Wir haben inzwischen eine Zeit der SpitzenpolitikerInnen. Ich nehme hier das Beispiel von der Landeshauptfrau oder von Udo Landbauer her, die Spitzengehälter bekommen, aber keine Spitzenleistung abliefern. Das passt einfach nicht mehr zusammen. Johanna Mikl-Leitner verdient in der Zwischenzeit gleich viel wie der Bundeskanzler, Udo Landbauer gleich viel wie ein Bundesminister, aber die Kompetenz hört an der Landesgrenze auf. Ich verstehe, dass das die Menschen nicht mehr unterstützen wollen."

Niederösterreichs Neos-Chefin Indra Collini
Denise Auer

Ein heikles Thema sind die Pensionen. Ist es nicht wegen der demografischen Entwicklung notwendig, auch das gesetzliche Pensionsantrittsalter anzuheben?

"Sie haben recht, mit der demografischen Entwicklung haben wir eine Riesenherausforderung. Die Alterspyramide hat sich umgedreht, wir müssen hier endlich handeln. Wir werden schauen, ob man am Pensionsalter schrauben muss. Wir haben eine Reform auf den Weg gebracht. Es ist die größte Reform seit 20 Jahren. Geht es uns weit genug? Nein, wenn wir ehrlich sind. Aber wir sind jetzt mit dem Nachhaltigkeitsmechanismus, den wir jetzt eingebaut haben, auf einem guten Weg. Es geht nicht darum, den Menschen etwas wegnehmen zu wollen. Das Thema ist, dass Sie, dass ich, dass unsere Kinder auch noch die Möglichkeit haben, eine Pension zu beziehen. Am Ende des Tages müssen wir das Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung koppeln."

Welche Anstrengungen braucht es im Klima- und Hochwasserschutzbereich?

"Eine Maßnahme ist jetzt auch mal in die Wege geleitet worden, das ist das neue Energiewirtschaftsgesetz, dass wir die Energiewende schaffen. Wir müssen Innovationen voranbringen, um neue Ideen auf den Markt zu bringen. Am Ende des Tages sind wir alle gefordert, wir müssen an allen Schrauben schrauben. In Wien haben wir es in der letzten Legislaturperiode geschafft, ein Klimagesetz auf den Weg zu bringen. Die Grünen haben das nicht geschafft, wir schon."

Wie bekommen wir die Wirtschaft wieder in Schwung?

"Abgesehen davon, dass wir einen Bürokratie-Abbau brauchen, müssen wir schauen, dass wir endlich Entlastung schaffen für die Menschen. Für die Unternehmen ist das Thema internationale Handelsbeziehungen ein sehr, sehr wichtiges. Darum freut es mich sehr, dass wir jetzt mit Beate Meinl-Reisinger eine Außenministerin haben, die Österreich in der Welt wieder positioniert. Und das ist gut für Österreich und wichtig."

{title && {title} } wes, {title && {title} } Akt. 18.07.2025, 12:24, 18.07.2025, 05:30
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