Seit Monaten wird in Österreich eifrig diskutiert, ob und in welcher Form eine Messenger-Überwachung kommen soll. Zuletzt einigte man sich im Ministerrat grundsätzlich über die Schaffung einer entsprechenden Möglichkeit. Innenminister Gerhard Karner von der ÖVP wagt am Donnerstag aber einen weiteren Vorstoß. Auf Puls 24 zeigt er sich in der Sendung "Beide Seiten Live" offen für den Vorschlag, die Überwachung verschlüsselter Messenger-Dienste von Terrorismusverfahren auch auf bestimmte Strafverfahren auszuweiten. Konkret spricht Karner davon, dass man "zu gegebener Zeit nachschärft".
Kritische Töne eines Koalitionspartners der ÖVP erfolgten umgehend via Aussendung. Neos-Klubobmann Yannick Shetty erteilt den Karner-Aussagen eine klare Absage: "Eine Ausweitung der Gefährder-Überwachung kommt nicht infrage. Unsere Aufgabe in der Politik ist es, die Menschen in Österreich und unsere Verfassung gleichermaßen zu schützen. Dazu gehört es, Angriffe auf unsere Gesellschaft und Demokratie durch Terroristen und Extremisten frühzeitig zu erkennen, um sie verhindern zu können. Eine Ausdehnung der Gefährder-Überwachung auf andere Delikte wird es mit uns in der gesamten Regierungsperiode nicht geben."
Die Neos sprechen von einem "klaren Stoppschild". Man habe sich im Ministerrat auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, der einerseits den Behörden die nötigen Befugnisse gebe, um terroristische Bedrohungen abzuwehren, und auf der anderen Seite die Grundrechte deutlich besser schütze. "Daran werden wir nicht rütteln", hält Shetty fest.
Dass Innenminister Karner nun trotzdem offenbar eine umfangreiche Ausweitung und Massenüberwachung in den Raum stellt, ist für Shetty nicht nachvollziehbar: "Es muss sich um ein Missverständnis seitens des Ministers handeln, mit den Koalitionspartnern ist nichts Derartiges vereinbart. Eine Ausweitung der Befugnisse wird es daher definitiv nicht geben."
Konkret soll es Ermittlern künftig möglich sein, Gefährder durch die Überwachung ihrer privaten Handydaten leichter ins Visier nehmen zu können. Man habe damit einen "Meilenstein in der Terrorabwehr" gesetzt, stellte Karner in einem Pressestatement klar.
Geplant ist, dass ein Drei-Richter-Senat die Messenger-Überwachung anordnen kann – freilich nur bei einem "begründeten Verdacht". Noch vor dem Sommer soll die gesetzliche Grundlage dafür im Parlament beschlossen werden.
Bei Fachleuten sorgt der Gesetzesentwurf für Kritik. Experten der Johannes-Kepler-Universität sehen viele offene Fragen. So sei nicht geklärt, wie die notwendige Überwachungssoftware in die Geräte gelangen soll. Weil die aktuellen Betriebssysteme der Smartphones über ausführliche Sicherheitsmechanismen verfügen würden, müsste man offene Sicherheitslücken ausnützen – es sei auszuschließen, dass heimische Behörden ausreichende Personalressourcen hätten, um so eine Software zu entwickeln.
Als Alternative dazu sehen die Experten Rene Mayrhofer und Michael Sonntag vom Institut für Netzwerke und Sicherheit an der JKU sowie von Alois Birklbauer vom Institut für Strafrechtswissenschaften den Zukauf von Trojaner-Programmen. Hierbei sei es nicht auszuschließen, dass man auf kriminelle Anbieter oder Hackern zurückgreifen müsse. Die Stellungnahme weist auch einige rechtliche Bedenken aus.
Kritik kommt am Donnerstag auch aus dem Lager der Grünen. Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba sieht in der Schaffung eines "Bundestrojaners" einen "Dammbruch". Es sei zweifelhaft, ob der aktuelle Gesetzesentwurf verfassungskonform ist. Dieser sei zudem "technisch nicht umsetzbar, grundrechtlich bedenklich und hat einen höchst mangelhaften Rechtsschutz".